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EUDR für gebrauchte Waren – Was gilt für gebrauchte Reifen und Paletten?

EUDR - Lesezeit: 7 Min

Reifen Paletten gebrauchte Ware

Seit Inkrafttreten der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) stehen Unternehmen, die mit Holz, Kautschuk oder deren Produkten handeln, vor neuen Herausforderungen – besonders beim Umgang mit gebrauchten Waren. Während sich die Debatte bisher auf Neuprodukte konzentrierte, sorgt der Status von Second-Hand-Artikeln wie Lkw-Reifen oder Holzpaletten zunehmend für Unsicherheit: Müssen auch sie den EUDR-Vorgaben entsprechen? Dieser Beitrag klärt, wie die EUDR gebrauchte Waren einordnet und wann die Verordnung auf gebrauchte Produkte Anwendung findet. Außerdem gibt er praktische Hinweise für Unternehmen im Umgang mit diesen Gütern.

Wichtige Fakten auf einen Blick

Nein. Wenn ein Produkt, z.B. ein Reifen oder eine Palette, bereits vor dem 29. Juni 2023 oder zuvor rechtmäßig im EU-Binnenmarkt in Verkehr gebracht wurde, entfällt eine erneute EUDR-Prüfung, auch bei Weiterverkauf, Vermietung oder Export innerhalb der EU.

Wenn sie nachträglich wesentlich verändert wird, z. B. durch den Austausch tragender Holzteile an Paletten oder das Runderneuern von Reifen mit neuem Naturkautschuk. Dann kann sie als „neues Produkt“ gelten und unterliegt erneut der EUDR-Sorgfaltspflicht.

Eine Veränderung ist wesentlich, wenn sie die Materialzusammensetzung oder Funktion des Produkts grundlegend verändert. Kleinere Reparaturen, Reinigung oder Prüfung gelten nicht als solche, umfangreiche Umbauten oder Upcycling jedoch schon.

Empfohlen wird eine lückenlose Informationssammlung zur Produkteinführung und Nutzung – z. B. Kaufdatum, Herkunftsnachweis, Seriennummern, Lieferbelege oder Wartungshistorie.

Nein. Gebrauchte Waren, die bereits ordnungsgemäß im EU-Binnenmarkt in Verkehr gebracht wurden, können grundsätzlich ohne erneute EUDR-Prüfung aus der EU ausgeführt werden – vorausgesetzt, sie wurden nicht wesentlich verändert.

Neben der Dokumentation ist eine klare Kommunikation entlang der Lieferkette entscheidend – etwa durch eindeutige Produktkennzeichnung und Angabe des Gebrauchtstatus in Rechnungen, Lieferscheinen oder digitalen Systemen.

Executive Summary

Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verpflichtet Unternehmen, die legale und entwaldungsfreie Herkunft bestimmter Rohstoffe, etwa Holz, Kakao, Kaffee und Naturkautschuk, nachzuweisen, bevor daraus hergestellte Produkte erstmals im EU-Binnenmarkt in Verkehr gebracht werden. Für gebrauchte Waren, etwa Reifen oder Paletten, gilt diese Pflicht in der Regel nicht, sofern sie bereits vor dem 29. Juni 2023 oder zuvor einmal ordnungsgemäß eingeführt wurden. Auch bei Weiterverkäufen, Vermietungen oder Exporten innerhalb der EU ist keine erneute Prüfung erforderlich. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Produkte seither nicht wesentlich verändert wurden.

Eine wesentliche Veränderung liegt dann vor, wenn neue, EUDR-relevante Materialien eingebracht werden. Das kann etwa beim Austausch tragender Holzelemente an Paletten oder beim Runderneuern von Reifen mit frischem Naturkautschuk der Fall sein. Dann kann die Ware als „neues Produkt“ gelten und EUDR-pflichtig sein. Entscheidend ist dabei der Umfang der Veränderung und ob sich Funktion oder Identität des Produkts erkennbar ändern.

Unternehmen sollten daher Wert auf eine saubere Dokumentation der ursprünglichen Produkteinführung und Nutzung legen. Dazu zählen Nachweise des Erstkaufs, zur Herkunft, zu eventuellen Wartungsschritten oder Seriennummern. Ebenso wichtig ist eine klare Kommunikation entlang der Lieferkette, um Neu- und Gebrauchtwaren eindeutig zu kennzeichnen und Missverständnisse zu vermeiden. So lassen sich regulatorische Risiken im Umgang mit Second-Hand-Produkten wirksam minimieren.

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Gebrauchte Waren und die EUDR – ein oft übersehener Sonderfall

Handel mit gebrauchten Waren hat in Europa Tradition und gewinnt mit Ressourcenknappheit und Nachhaltigkeitszielen weiter an Bedeutung. Gerade Produkte wie Reifen, Behälter oder Transportpaletten durchlaufen regelmäßig mehrere Nutzungszyklen. Im Zuge der EUDR tritt nun Unsicherheit auf: Gilt für jeden Weiterverkauf oder Export einer Gebrauchtware die gleiche Sorgfaltspflicht wie für Neuware? Viele Unternehmen sind mit Inventaren konfrontiert, zu denen nur lückenhafte Vorabinformationen vorliegen – insbesondere dann, wenn Produkte schon vor Jahren in die EU gelangten.

Diese Unsicherheit ist in der Lieferkette allgegenwärtig. Zum einen fehlt oft Transparenz, wann genau eine Ware erstmals „in den Verkehr gebracht“ wurde. Zum anderen kennt die Praxis eine Vielzahl von Konstellationen: Produkte werden repariert, instandgesetzt oder mit Neuteilen ergänzt und dann weiterverkauft. Während die Verordnung vor allem die unmittelbare Rohstoffherkunft adressiert, taucht für Gebrauchtwaren die Frage auf, ob und wann sie als „neue“ Produkte im Sinne der EUDR gelten.

Was sagt die Verordnung zu gebrauchten Waren?

Fokus der Verordnung: Entwaldung durch Primärrohstoffe vermeiden

Ziel der Entwaldungsverordnung (Kurzform EUDR) ist es, Produkte mit Risiko für Entwaldung und Waldschädigung möglichst aus dem europäischen Binnenmarkt herauszuhalten. Dafür werden nicht nur Rohstoffe wie Soja, Kaffee, Palmöl, Rinder oder Holz, sondern auch daraus hergestellte Erzeugnisse, etwa Möbel, Papierwaren oder Reifen aus Naturkautschuk, erfasst. Im Kern verlangt die Verordnung, dass nur entwaldungsfreie Produkte innerhalb der EU in Verkehr gebracht, verkauft oder exportiert werden dürfen. Unternehmen müssen sich dabei auf nachvollziehbare Nachweise stützen, um so die Entwaldungsfreiheit der Produkte zu belegen.

Die Unternehmen sind im Regelfall verpflichtet, eine umfassende Sorgfalts- und Risikoanalyse durchzuführen. Diese umfasst unter anderem die Rückverfolgbarkeit des Rohstoffursprungs, die Einhaltung lokaler Gesetze und die Abgabe von Sorgfaltserklärungen sowie die Vorlage umfangreicher Nachweisdokumente. Die Sorgfaltspflicht gilt grundsätzlich sowohl für Neuprodukte als auch für weiterverarbeitete oder zusammengesetzte Artikel die mit den relevanten Erzeugnissen in Verbindung stehen – sofern sie erstmals auf dem Unionsmarkt platziert werden.

„Inverkehrbringen“ im Sinne der EUDR

Ein zentrales Element der EUDR ist der Begriff „Inverkehrbringen“. Laut dem Inhalt des Artikel 2 Nr. 16 der Verordnung bedeutet dies: „jede erstmalige Bereitstellung eines relevanten Produkts auf dem Unionsmarkt zum Vertrieb oder zur Verwendung.“ Maßgeblich ist also, wann ein Produkt – sei es ein Rohstoff, ein Einzelteil oder ein Fertigprodukt – erstmals im Geltungsbereich der Verordnung für den Markt bereitgestellt wird.

Wurde eine Ware bereits vor Inkrafttreten der EUDR oder an anderer Stelle im Binnenmarkt rechtskonform eingeführt, gilt sie als „in Verkehr gebracht“. Eine solche Ware muss nicht erneut geprüft werden. Alle späteren Besitzwechsel, Weiterverkäufe, Vermietungen oder Lagerungen von bereits erstmals eingeführten Waren lösen aus EUDR-Sicht keine neue Sorgfaltspflicht aus. Eine Ausnahme ist jedoch denkbar, wenn das Produkt durch Reparatur, Umbau oder substanzielle Veränderung erneut als „neu“ gilt.

Wann gelten Gebrauchtwaren als „nicht mehr betroffen“?

Für die Praxis bedeutet das: Produkte, die schon vor Geltungsbeginn der EUDR in einem EU-Mitgliedstaat „in den Verkehr gebracht“ wurden, unterliegen keiner erneuten EUDR-Prüfung, selbst wenn sie weiterverkauft, vermietet oder exportiert werden. Dies gilt analog, wenn ein Produkt von Käufer zu Käufer wechselt, beispielsweise im Großhandel, im Gebrauchtgeschäft oder beim grenzüberschreitenden Handel von Land zu Land innerhalb der EU.

Entscheidend ist, ob zwischenzeitlich ein wesentlicher Verarbeitungs- oder Bearbeitungsschritt erfolgt ist. Wird das Produkt lediglich gelagert, gereinigt oder für den erneuten Vertrieb geprüft, bleibt es aus EUDR-Sicht weiterhin ein „gebrauchtes“ Produkt. Erst wenn im Zuge einer Instandsetzung, eines Austauschs oder Umbaus eine neue Zusammensetzung (z. B. durch Hinzufügen neuer Bauteile oder Materialien wie frischen Naturkautschuk oder neues Holz) geschaffen wird, könnte die Ware aus Compliance-Sicht als „neu in den Verkehr gebracht“ eingestuft werden. In solchen Fällen ist eine erneute EUDR-Prüfung unabdingbar.

Wann sind Gebrauchtwaren EUDR-pflichtig

Fallbeispiel 1: Gebrauchte Reifen

Warum Reifen grundsätzlich EUDR-relevant sind

Reifen bestehen zu einem großen Teil aus Naturkautschuk, der im Anhang I der EUDR explizit als risikorelevant aufgeführt wird. Die jährlich weltweite Produktion von Naturkautschuk beläuft sich nach Schätzungen der International Rubber Study Group auf rund 14 Millionen Tonnen – ein Großteil davon wird in Asien geerntet. Einer Studie der Vrije Universität Amsterdam zufolge werden fünf Prozent des weltweit produzierten Naturkautschuks für Reifen europäischer Fahrzeuge verwendet – vornehmlich für Autoreifen. Da für viele Plantagenflächen gezielt Wälder gerodet wurden, stuft die EU Reifen explizit als EUDR-pflichtig ein, sofern sie erstmals in der EU vertrieben werden.

Neue Reifenimporteure müssen daher sicherstellen, dass sowohl das gewonnene Kautschukmaterial als auch die Fertigung gemäß EUDR als entwaldungsfrei und legal belegt werden kann. Die Nachweispflichten sind beträchtlich: Neben Belegen zum Ursprungsland ist auch die Rückverfolgbarkeit zur Parzelle gefragt, auf der der Kautschuk angebaut wurde.

Wann gebrauchte Reifen als „nicht betroffen“ gelten

Wer gebrauchte Reifen innerhalb der EU weiterverkauft, vermietet oder exportiert, muss sich keine erneute EUDR-Sorgfaltsprüfung auferlegen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Reifen bereits einmal im europäischen Binnenmarkt gemäß den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften in Verkehr gebracht wurden. Sie gelten damit als „Bestandsware“ und unterliegen keiner erneuten Melde- oder Dokumentationspflicht und Risikobewertung.

Das typische Beispiel: Ein Lkw-Fuhrpark erneuert nach drei Jahren die Bereifung und verkauft die abgenommenen Reifen an einen Gebrauchtwarenhändler oder ins europäische Ausland. Da die Reifen bereits als Neuprodukt einst importiert und versteuert wurden, läuft die Ware bei jedem weiteren Handelsvorgang als „gebraucht“ und ist aus EUDR-Sicht nicht mehr compliance-pflichtig. Diese Befreiung gilt ebenso für Reifen, die innerhalb der EU exportiert oder zwischen Unternehmen transferiert werden, solange keine weitere Verarbeitung stattgefunden hat.

Wann gebrauchte Reifen nicht EUDR-pflichtig sind

Ausnahmefall: Runderneuerte Reifen

Der Umgang mit runderneuerten Reifen ist jedoch anders zu betrachten. Hierbei wird der abgenutzte Reifenunterbau („Karkasse“) aufgearbeitet, vulkanisiert und mit einer neuen Laufflächenschicht versehen. Dieser Vorgang kann, je nach Umfang der Bearbeitung, als Herstellung eines „neuen Produkts“ im Sinne der EUDR eingestuft werden. Maßgeblich ist, wie viel neues Material – insbesondere frischer Naturkautschuk oder vulkanisierter Kautschuk – verwendet wird und ob die fertige Ware funktional und rechtlich als eigenständiges Produkt zu bewerten ist.

In der Praxis orientieren sich Kontrollbehörden und Zoll oftmals an der maßgebenden Veränderung gemäß Zollkodex und dem „Wesentlichkeitskriterium“. Erfolgt lediglich eine kleine Instandsetzung, ohne dass die Identität des Reifens wesentlich verändert wird, bleibt er als Gebrauchtware einzustufen. Erfolgt jedoch eine umfangreiche Runderneuerung oder Rekonstruktion, wird der Reifen als neues Produkt betrachtet und ist folglich EUDR-pflichtig. Eine detaillierte Prüfung des jeweiligen Einzelfalles ist daher geboten.

Fallbeispiel 2: Gebrauchte Paletten

Neue Paletten als Holzprodukt grundsätzlich EUDR-pflichtig

Holzprodukte nehmen im Kontext der EUDR eine zentrale Rolle ein, denn Rohholz steht als potenzieller Treiber von weltweiter Entwaldung besonders im Fokus der Regulatorik und ist einer der relevanten Rohstoffe der unter die Verordnung fällt. Transportpaletten, insbesondere die weit verbreiteten Europaletten, bestehen aus diversen Holzarten und werden in Europa in großer Menge millionenfach hergestellt, getauscht und wiederverwendet. Die Mehrzahl der in der EU kursierenden Paletten stammen aus heimischer oder europäischer Produktion. Dennoch gelangen teils auch Paletten aus außereuropäischen Quellen, etwa Asien oder Südamerika, in den Verkehr, was sich auf Lieferungen oder Einwegverpackungen zurückführen lässt.

Für neue Paletten, egal ob als Tauschpalette oder Einwegprodukt, gilt daher die volle EUDR-Sorgfaltspflicht. Hersteller und Importeure müssen die legale und entwaldungsfreie Herkunft des Holzes bereits bei der Erzeugung durch geeignete Dokumente und Erklärungen nachweisen, bevor die Paletten in der EU vertrieben oder weitergegeben werden dürfen.

Gebrauchte Paletten: Wann gilt die Ausnahme im EU-Markt?

Sobald Paletten einmal als Fertigprodukt auf dem EU-Binnenmarkt bereitgestellt wurden, etwa durch einen europäischen Hersteller oder einen Importeur, gelten sie als „in Verkehr gebracht“. Mit dieser Einführung in den Binnenmarkt sind sie aus EUDR-Sicht für alle anschließenden Umlaufprozesse, etwa beim Handeln, Vermieten, Tauschen oder Export innerhalb des Binnenmarktes, wie Gebrauchtware einzustufen und grundsätzlich nicht erneut EUDR-pflichtig.

Dies betrifft insbesondere die weit verbreiteten Tauschnetze wie den offenen Europaletten-Pool, in dem Millionen von Paletten über Jahrzehnte hinweg im Umlauf sind. Auch Zoll und Kontrolleure erkennen an, dass für bereits einmal in Europa in den Wirtschaftskreislauf eingeführte Paletten keine neue EUDR-Sorgfaltspflicht entsteht, solange keine Veränderung an den wesentlichen Bestandteilen der Palette vorgenommen wird.

Wird eine gebrauchte Palette lediglich gereinigt, geprüft, mit Markierungen versehen oder gepoolt, wird sie weiterhin als Komponentenbestandteil eines bestehenden Produkts gehandelt. Auch der Austausch von Kleinteilen wie Nägeln, Verbindern oder Farbcodes bleibt ohne EUDR-Konsequenz.

Wann gebrauchte Paletten nicht EUDR-pflichtig sind

Wann Paletten doch relevant sein können

Dennoch gibt es Ausnahmen: Wenn im Zuge von Reparaturen wesentliche Holzelemente – wie Trag- oder Deckbretter – getauscht oder eine gebrauchte Palette durch neuen Rohstoff in erheblichem Maße umgebaut wird, steigt die Gefahr, dass die Palette nach regulatorischer Auslegung als „neues Produkt“ in veränderter Form gewertet wird. Auch in Fällen von sogenanntem Upcycling, bei dem gebrauchte Paletten zu anderen Produkten wie Möbeln, Konstruktionen oder baulichen Elementen umgewandelt werden, stellt sich erneut die EUDR-Pflichtfrage.

Hier empfiehlt sich eine genaue Untersuchung des Einzelfalls: Erfolgt die Veränderung lediglich zur Wiederherstellung der ursprünglichen Funktionalität, ohne substanzielle Materialzugabe, kann rechtlich weiter von einer gebrauchten Palette gesprochen werden. Wurden jedoch neue Rohstoffe größeren Umfangs hinzugefügt und das Produkt erhält durch Umbau eine neue Funktion oder Identität, greift die EUDR-Prüfungspflicht erneut. Besonders für gewerbliche Upcycling-Anbieter ergibt sich daraus Handlungsbedarf.

Zusammenfassung: Wann sind Gebrauchtwaren EUDR-pflichtig – und wann nicht?

Drei Prüffragen zur EUDR-Relevanz

Entscheidungslogik für die Praxis

Drei wesentliche Fragen bestimmen, ob und wie die EUDR auf Gebrauchtwaren anzuwenden ist.

  • Erstens ist zu klären, ob das betroffene Produkt bereits vor Inkrafttreten der EUDR oder zu einem früheren Zeitpunkt im EU-Binnenmarkt erstmals bereitgestellt wurde. Sofern dies zutrifft, entfällt in der Regel jegliche erneute Sorgfaltspflicht und Risikoprüfung im Rahmen der Verordnung.
  • Zweitens ist zu prüfen, ob im Zwischenverlauf eine substanzielle Veränderung am Produkt vorgenommen wurde. Nur Produkte, die in ihrem grundlegenden Bestand gleich geblieben sind und lediglich gehandelt, weitergegeben oder im Rahmen einer Rückgabe erneut in den Umlauf gebracht werden, bleiben von einer erneuten EUDR-Prüfung verschont. Werden bei Paletten neue Holzbretter, Kufen oder andere tragende Elemente ersetzt oder bei Reifen ein Neulaufstreifen aufgebracht, kann dies als herstellungstechnisch relevantes „Neuprodukt“ gewertet werden.
  • Drittens ist darauf zu achten, ob das Produkt bei seiner Weitergabe oder Export derart umgestaltet wurde, dass es faktisch erneut als neues Produkt auf dem Binnenmarkt erscheint. Sobald dies zutrifft, beginnt die EUDR-Sorgfaltspflicht gemäß den geltenden Regeln erneut.

Übersicht: Checkliste zur Umsetzung für Unternehmen

Checkliste Gebrauchte Waren Unternehmen

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Nachweise zur Vorverwendung dokumentieren

Große, mittlere und kleine Unternehmen, die mit Gebrauchtwaren wie Reifen oder Paletten handeln, sollten Wert auf eine lückenlose Dokumentation der Produkteinführung und Nutzung legen. Diese Informationssammlung umfasst unter anderem Angaben wie das Datum und den Nachweis des Erstkaufs, die eindeutige Herkunft aus dem EU-Binnenmarkt, gegebenenfalls vorhandene Seriennummern oder Lieferbelege sowie Beschreibungen über die bisherige Verwendung und etwaige Wartungsschritte. Der Aufbau eines zentralen Registers, in dem diese Produktinformationen hinterlegt werden, hat sich in der Praxis bereits bewährt. So lassen sich auch nach Jahren Nachweislücken minimieren und behördliche Nachfragen schnell beantworten.

Kommunikation mit Lieferanten und Kunden stärken

Genauso wichtig ist eine saubere Kommunikation entlang der gesamten Lieferkette. Unternehmen sollten Lieferanten und nachgelagerte Geschäftspartner frühzeitig und eindeutig darauf hinweisen, ob es sich um Neuware oder einen gebrauchten Artikel handelt. Dies kann im Rahmen der Rechnungsstellung, in Lieferscheinen oder technischen Produktbeschreibungen erfolgen. Sinnvoll sind zudem klare Produktkennzeichnungen, etwa durch Barcode-Anhänger, Beschriftungen oder Eintragungen im digitalen Warenwirtschaftssystem. Nur so lassen sich Rückfragen und Missverständnisse vermeiden.

Spezielle Fälle frühzeitig prüfen

Grenzfälle wie runderneuerte Reifen, reparierte Paletten mit Austauschbrettern oder industriell instandgesetzte Komponenten sollten frühzeitig einer vertieften Prüfung unterzogen werden. Insbesondere Unternehmen, die sich auf „Refurbishing“, Upcycling oder die serienmäßige Instandsetzung von Industriegütern spezialisieren, müssen für jedes Produkt genau dokumentieren, ob und welche neuen Materialien mit EUDR-relevanter Rohstoffherkunft verwendet wurden. Im Zweifel sollte rechtzeitig fachlicher oder juristischer Rat eingeholt werden. Auch der Kontakt zu örtlichen Behörden oder dem Zoll kann ratsam sein, falls Unsicherheiten über die Einordnung einzelner Fertigungsschritte bestehen.

Fazit

Im Ergebnis sind gebrauchte Produkte wie Reifen oder Paletten in aller Regel nicht mehr EUDR-pflichtig, solange sie bereits ordnungsgemäß in der EU in Verkehr gebracht wurden und keine substantiellen Veränderungen an der Materialbasis erfolgt sind. Gleichwohl dürfen sich Unternehmen nicht pauschal auf diese Befreiung verlassen – insbesondere, wenn Reparatur-, Veredelungs- oder Umbauschritte vorgenommen wurden, die einen „Neuprodukt“-Charakter verursachen. Die Schlüsselfaktoren für rechtssicheren Umgang mit Gebrauchtwaren liegen in einer lückenlosen Dokumentation, der plausiblen Produktklassifizierung und – sofern möglich – in der proaktiven Abstimmung mit Behörden oder Zoll. Gerade Compliance-Verantwortliche und Produktmanager sollten interne Prozesse darauf ausrichten, EUDR-relevante Vorgänge schnell identifizieren zu können und hierzu aussagekräftige Nachweise griffbereit zu halten.

FAQ

Als wesentliche Veränderung gelten Bearbeitungsschritte, die die grundlegende Identität des Produkts verändern – etwa durch das Hinzufügen neuer Rohstoffe (z. B. neues Holz bei Paletten oder frischer Kautschuk bei Reifen) oder den Umbau zu einer anderen Produktart. Eine reine Reinigung oder Wartung zählt in der Regel nicht dazu.

Nein, eine geringfügige Reparatur – etwa das Ausbessern kleiner Schäden ohne den Einsatz neuen Rohmaterials – ändert den Status des Reifens nicht. Er bleibt als gebrauchte Ware von der EUDR ausgenommen. Eine vollständige Runderneuerung hingegen kann eine neue Bewertung im Einzelfall erforderlich machen.

Nein, bereits innerhalb der EU in Verkehr gebrachte Gebrauchtwaren können grundsätzlich ohne neue EUDR-Prüfung exportiert werden – solange sie seitdem nicht beträchtlich verändert oder neu zusammengesetzt wurden.

Durch sorgfältige Dokumentation der bisherigen Verwendung, genaue Klassifizierung gebrauchter Produkte und transparente Kommunikation entlang der Lieferkette lassen sich ungewollte Compliance-Risiken weitgehend vermeiden.

Ja, je größer der Anteil an neuem, EUDR-relevanten Material bei der Wiederaufbereitung eines Produktes ist, desto eher wird es als neues Produkt eingestuft und ist somit EUDR-pflichtig. Gebrauchte Produkte ohne substanzielle Materialzugaben bleiben im Regelfall ausgenommen.

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