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15. Mai 2024 • Lesezeit: 10 Min

Gegen moderne Sklaverei: Die EU-Zwangsarbeitsverordnung

In den Schatten der globalen Wirtschaft lauert eine dunkle Realität: moderne Sklaverei. Trotz Fortschritten im 21. Jahrhundert sind Millionen von Menschen weltweit Opfer von Ausbeutung und Zwangsarbeit. Diese grausame Realität ist jedoch nicht nur in fernen Ländern anzutreffen, sondern auch hierzulande. Ein Beispiel dafür sind die Berichte über Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie, wo Näherinnen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen, um unseren ständigen Bedarf an billiger Kleidung zu decken. Diese Ausbeutung findet jedoch nicht nur in der Textilbranche statt. Auch in anderen Branchen wie der Landwirtschaft, dem Bauwesen und auch dem Dienstleistungssektor werden Menschen unter ähnlich harten Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Die Opfer von moderner Sklaverei bleiben oft unsichtbar und ihre Stimmen ungehört. Jedoch besteht Aussicht auf Besserung: Die EU-Zwangsarbeitsverordnung setzt sich entschlossen gegen diese Praxis ein. Die Einführung der auch als Forced Labour Regulation bekannten Verordnung bedeutet, dass künftig keine Produkte aus Zwangsarbeit mehr vertrieben werden dürfen. Im Folgenden werden wir uns genauer mit der Definition von moderner Sklaverei, ihren Ursachen und dem Anwendungsbereich der EU-Zwangsarbeitsverordnung befassen.

Kurzfassung: Die EU-Zwangsarbeitsverordnung

Millionen von Menschen weltweit sind heutzutage Opfer moderner Sklaverei. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind rund 27,6 Millionen Menschen in Zwangsarbeit gefangen, darunter 3,3 Millionen Kinder. Moderne Sklaverei manifestiert sich in Formen wie Zwangsarbeit, Menschenhandel und Schuldknechtschaft.

Die Ursachen für moderne Sklaverei sind vielfältig und reichen von wirtschaftlicher Ausbeutung bis hin zur unzureichenden gesetzlichen Regulierung. Armut, mangelnde Bildungschancen und Diskriminierung erhöhen das Risiko, Opfer moderner Sklaverei zu werden. Die Globalisierung und stark vernetzte Lieferketten begünstigen ebenfalls Ausbeutung und Unterdrückung. Moderne Sklaverei ist ein globales Phänomen, und auch in Deutschland gibt es Fälle davon, vor allem im Bereich der Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution.

Die EU-Zwangsarbeitsverordnung (Forced Labour Regulation, FLR) spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen moderne Sklaverei. Ihr Ziel ist es, Zwangsarbeit in globalen Lieferketten zu bekämpfen und klare Vorschriften sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Ausbeutung und Zwangsarbeit festzulegen. Unternehmen müssen transparent über ihre Zulieferer und Arbeitsbedingungen berichten. Die Verordnung setzt Standards und Sanktionen, um die Rechte der Arbeitnehmer:innen zu schützen.

Unternehmen müssen gemäß der FLR alle in der EU vertriebenen oder exportierten Produkte überwachen, um sicherzustellen, dass keine Zwangsarbeit involviert ist und die Rechte der Arbeitenden geschützt werden. Auch wenn kritisiert wird, dass die Verordnung nicht weitreichend genug ist, können Unternehmen dennoch durch strenge Kontrollmechanismen in ihren Lieferketten eine wichtige Rolle im Kampf gegen moderne Sklaverei spielen. Die Einhaltung von Menschenrechtsstandards ist entscheidend zur Verhinderung von Ausbeutung, weshalb Unternehmen ihre Compliance-Maßnahmen verstärken und Risiken von Zwangsarbeit genau prüfen sollten. Überwachung und Audits sind wichtige Instrumente zur Sicherstellung dieser Standards. Eine globale Zusammenarbeit ist unerlässlich, um moderne Sklaverei zu bekämpfen und Ausbeutung zu beenden.

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Die Definition von moderner Sklaverei

Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigen, dass weltweit ungefähr 27,6 Millionen Menschen in Zwangsarbeit, darunter 3,3 Millionen Kinder, gefangen sind.

In der heutigen Welt gibt es verschiedene Formen von moderner Sklaverei, die Menschen in brutalster Weise ausbeuten. Millionen Opfer, darunter Frauen und Kinder, leiden unter Zwangsarbeit und Menschenhandel. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert moderne Sklaverei als eine eklatante Verletzung der Menschenrechte, die weltweit existiert. Dabei spielt die genaue Definition von moderner Sklaverei eine zentrale Rolle, um auf die verschiedenen Ausprägungen aufmerksam zu machen und effektive Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Jeder einzelne Fall von Zwangsarbeit ist einer zu viel, und es ist an der Zeit, gemeinsam gegen diese abscheuliche Praxis vorzugehen.

Was versteht man unter moderner Sklaverei?

Der Begriff der Zwangsarbeit wird gesetzlich definiert, unter anderem im ILO-Übereinkommen Nr. 29, dem Übereinkommen über Zwangs- oder Pflichtarbeit sowie dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Definition von Zwangsarbeit nach Art. 2 Abs. 1 des ILO-Übereinkommens:

  1. Als „Zwangs- oder Pflichtarbeit" im Sinne dieses Übereinkommens gilt jede Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat.
  2. Als „Zwangs- oder Pflichtarbeit" im Sinne dieses Übereinkommens gelten jedoch nicht:
    1. jede Arbeit oder Dienstleistung auf Grund der Gesetze über die Militärdienstpflicht, soweit diese Arbeit oder Dienstleistung rein militärischen Zwecken dient
    2. jede Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten der Bürger eines Landes mit voller Selbstregierung gehört
    3. jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person auf Grund einer gerichtlichen Verurteilung verlangt wird. Bedingung ist jedoch, dass diese Arbeit oder Dienstleistung unter Überwachung und Aufsicht der öffentlichen Behörden ausgeführt wird und dass der Verurteilte nicht an Einzelpersonen oder private Gesellschaften und Vereinigungen verdingt oder ihnen sonst zur Verfügung gestellt wird
    4. jede Arbeit oder Dienstleistung in Fällen höherer Gewalt: im Falle von Krieg oder wenn Unglücksfälle eingetreten sind oder drohen, wie Feuersbrunst, Überschwemmung, Hungersnot, Erdbeben, verheerende Menschen- und Viehseuchen, plötzliches Auftreten von wilden Tieren, Insekten- oder Pflanzenplagen, und überhaupt in allen Fällen, in denen das Leben oder die Wohlfahrt der Gesamtheit oder eines Teiles der Bevölkerung bedroht ist
    5. kleinere Gemeindearbeiten, die unmittelbar dem Wohle der Gemeinschaft dienen, durch ihre Mitglieder ausgeführt werden und daher zu den üblichen Bürgerpflichten der Mitglieder der Gemeinschaft gerechnet werden können. Voraussetzung ist, dass die Bevölkerung oder ihre unmittelbaren Vertreter berechtigt sind, sich über die Notwendigkeit der Arbeiten zu äußern.

Zwangsarbeit als menschenrechtliches Risiko nach § 2 Abs. 2 Nr. 2-4 LkSG:

(2) Ein menschenrechtliches Risiko im Sinne dieses Gesetzes ist ein Zustand, bei dem aufgrund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen eines der folgenden Verbote droht:

  1. ...
  2. das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren; dies umfasst gemäß Artikel 3 des Übereinkommens Nr. 182 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 17. Juni 1999 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (BGBl. 2001 II S. 1290, 1291):
    1. alle Formen der Sklaverei oder alle sklavereiähnlichen Praktiken, wie den Verkauf von Kindern und den Kinderhandel, Schuldknechtschaft und Leibeigenschaft sowie Zwangs- oder Pflichtarbeit, einschließlich der Zwangs- oder Pflichtrekrutierung von Kindern für den Einsatz in bewaffneten Konflikten;
  3. das Verbot der Beschäftigung von Personen in Zwangsarbeit; dies umfasst jede Arbeitsleistung oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung von Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat, etwa in Folge von Schuldknechtschaft oder Menschenhandel;
  4. das Verbot aller Formen der Sklaverei, sklavenähnlicher Praktiken, Leibeigenschaft oder anderer Formen von Herrschaftsausübung oder Unterdrückung im Umfeld der Arbeitsstätte, etwa durch extreme wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung und Erniedrigungen.

Sklaverei ist auch heute leider immer noch ein existierendes Phänomen. Moderne Sklaverei bezieht sich auf Situationen, in denen Menschen unter Zwang arbeiten, ihre Freiheit beraubt wird und sie keine Kontrolle über ihre Arbeitsbedingungen haben. Dies kann verschiedene Formen annehmen, wie Zwangsarbeit, Menschenhandel, Schuldknechtschaft oder erzwungene Prostitution.

Oft sind die Opfer von Sklaverei gefangen in einem Teufelskreis aus Ausbeutung und Gewalt, ohne Möglichkeit zur Flucht. In vielen Fällen werden sie unter Bedingungen gehalten, die gegen ihre grundlegenden Menschenrechte verstoßen. Das Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung und menschenwürdige Behandlung wird oft missachtet. Dies führt nicht nur zu einer Ausbeutung der Arbeitskräfte, sondern auch zu einem Verstoß gegen internationale Arbeitsschutzstandards.

Moderne Sklaverei findet sich in verschiedenen Branchen wie der Landwirtschaft, der Textilindustrie, dem Baugewerbe, der Pflegebranche und anderen Bereichen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Sklaverei auch heute noch existiert und Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dieses Verbrechen zu bekämpfen und die Opfer zu schützen.

Welche Anzeichen gibt es?

Die Anzeichen von Zwangsarbeit sind vielfältig und können sich auf verschiedene Weisen manifestieren. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) hat verschiedene Kriterien entwickelt, um Zwangsarbeit zu identifizieren. Die Erkennung von Zwangsarbeitsfällen erfordert ein genaues und sensibles Vorgehen sowie ein Bewusstsein für die vielfältigen Erscheinungsformen dieser problematischen Praktik. Das Vorhandensein eines einzelnen Anhaltspunkts in einer spezifischen Situation kann in manchen Fällen auf das Vorkommen von Zwangsarbeit hindeuten. Bei anderen Gelegenheiten müssen jedoch möglicherweise mehrere Anzeichen zusammen betrachtet werden, um auf einen Fall von Zwangsarbeit hinzuweisen.

Die kritischen Indikatoren laut ILO sind:

In der heutigen Gesellschaft sind bestimmte Personen einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von Zwangsarbeit zu werden. Insbesondere Menschen, die in eine vulnerablere Position geraten sind aufgrund von fehlenden Lebensunterhaltsoptionen, sprachlichen oder rechtlichen Barrieren, Zugehörigkeit zu Minderheiten oder körperlichen Einschränkungen, laufen Gefahr ausgebeutet zu werden. Die Ausnutzung dieser Schutzlosigkeit seitens Arbeitgeber kann dazu führen, dass eine Person in die Zwangsarbeit gedrängt wird. Besonders bedenklich ist es, wenn Arbeitnehmer nicht nur vom Arbeitgeber abhängig sind für ihren Job, sondern auch für Unterkunft, Nahrung und die Beschäftigung ihrer Familie.

Die irreführende Anwerbung von Arbeitnehmern mittels falscher Versprechungen über ihre Arbeitsbedingungen und Bezahlung führt dazu, dass sie in ausbeuterischen Verhältnissen gefangen sind. Durch diese betrügerischen Rekrutierungspraktiken wird den Arbeitern die Möglichkeit einer freien und informierten Zustimmung verwehrt. Täuschende Rekrutierungspraktiken können falsche Versprechungen bezüglich vieler Aspekte beinhalten, wie Arbeitsbedingungen, Löhne, Art der Arbeit oder Unterkunft. Wären die Arbeiter über die Wahrheit informiert gewesen, hätten sie das Jobangebot niemals angenommen.

Um Fluchtversuche zu verhindern, können Zwangsarbeiter inhaftiert und überwacht werden. Wenn Arbeitnehmer:innen nicht frei sind, das Arbeitsgelände zu betreten oder zu verlassen, deutet dies auf Zwangsarbeit hin. Überwachungskameras und Wachpersonal innerhalb des Arbeitsplatzes sowie Begleitung außerhalb des Standorts sind gängige Kontrollmaßnahmen für Zwangsarbeiter:innen.

In vielen Fällen sind Opfer von Zwangsarbeit an abgelegenen Orten isoliert und haben keinen Kontakt zur Außenwelt. Sie wissen möglicherweise nicht einmal, wo sie sich befinden oder wie sie Hilfe suchen können. Die Arbeitsstelle kann weit entfernt von Wohngebieten liegen und der Zugang zu Transportmitteln kann eingeschränkt sein. Selbst in dicht besiedelten Gebieten können Arbeitnehmer:innen isoliert werden, zum Beispiel durch Einsperren. Oftmals sind die Geschäftsräume nicht registriert, was es schwierig macht, sie zu überwachen und die Arbeiter:innen zu schützen.

Zu diesen Formen der Ausbeutung gehören unter anderem der erzwungene Konsum von Drogen oder Alkohol, um die Kontrolle über die Betroffenen zu gewinnen. Ebenso kann Gewalt eingesetzt werden, um Arbeiter:innen zu unerwünschten Handlungen zu zwingen, wie etwa sexuelle Übergriffe oder die Verpflichtung zur Hausarbeit zusätzlich zu ihren regulären Aufgaben. Die Entführung stellt eine extreme Form von Gewalt dar, bei der eine Person gegen ihren Willen festgehalten und zur Zwangsarbeit gezwungen wird.

Neben physischer Gewalt werden auch andere häufige Bedrohungen gegen Arbeiter:innen eingesetzt, darunter etwa die Anzeige bei den Einwanderungsbehörden, Entlassung von Familienmitgliedern oder der Entzug von „Privilegien“ wie dem Recht, den Arbeitsplatz zu verlassen. Zusätzlich können konstante Beleidigungen als psychologische Zwangsmittel wirken, um das Gefühl der Verletzlichkeit der Arbeiter zu verstärken. Um die Glaubwürdigkeit und Auswirkungen dieser Bedrohungen angemessen zu bewerten, ist es wichtig, sie aus der Perspektive des Arbeiters zu betrachten und dabei individuelle Überzeugungen, Alter, kulturellen Hintergrund sowie sozialen und wirtschaftlichen Status zu berücksichtigen.

Die Verwahrung von Identitätsdokumenten oder anderen persönlichen Wertgegenständen durch Arbeitgeber:innen kann als Indikator für Zwangsarbeit angesehen werden, wenn die Arbeitnehmer nicht frei darauf zugreifen können und befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie dies tun möchten.

Es kann vorkommen, dass Angestellte gezwungen sind, bei gewalttätigen Arbeitgeber:innen zu bleiben, während sie auf ihre ausstehenden Löhne warten. Die unregelmäßige oder verspätete Zahlung der Löhne bedeutet nicht automatisch, dass es sich um Zwangsarbeit handelt. Anders verhält es sich jedoch, wenn die Löhne systematisch und absichtlich zurückgehalten werden, um Arbeitnehmende zum Bleiben zu zwingen und ihnen die Möglichkeit zu nehmen, die Arbeitgebenden zu wechseln.

Zwangsarbeiter:innen sind oft gezwungen, zu arbeiten, um Schulden zu begleichen, die sie aufgrund von Vorschüssen oder Darlehen zur Deckung verschiedener Kosten wie Rekrutierung oder Transport angehäuft haben. Schulden können sich als Folge der Manipulation von Konten erhöhen, insbesondere wenn die Arbeiter Analphabeten sind. Kinder können sogar für die Schulden ihrer Eltern rekrutiert werden. Dies führt zu einem Teufelskreis der Schuldknechtschaft, aus dem es schwer ist auszubrechen.

Zwangsarbeiter:innen können dazu gezwungen werden, übermäßig lange Arbeitsstunden zu leisten, die über die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen hinausgehen. Ihnen werden Pausen und freie Tage verweigert, sie müssen für abwesende Kollegen einspringen und möglicherweise rund um die Uhr arbeitsbereit sein. Grundsätzlich gilt: Wenn Arbeitnehmer:innen mehr Überstunden machen müssen, als erlaubt ist, unter Androhung von Konsequenzen wie Kündigung oder um zumindest den Mindestlohn zu erhalten, handelt es sich um Zwangsarbeit.

Die Beschäftigung kann unter Bedingungen stattfinden, die erniedrigend oder gefährlich sind (ohne angemessene Schutzausrüstung) und gegen Arbeitsgesetze verstoßen. Die Arbeitskräfte können unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen leiden, beispielsweise in überfüllten und ungesunden Verhältnissen ohne jegliche Privatsphäre. Obwohl miserable Arbeits- und Lebensbedingungen allein nicht zwangsläufig auf Zwangsarbeit hinweisen, sollten missbräuchliche Bedingungen als Warnsignal für mögliche Zwangsarbeit betrachtet werden.

Hintergründe und Verbreitung

Ursachen und Ausmaß

Die Ursachen und das Ausmaß der modernen Sklaverei sind vielschichtig und alarmierend. Trotz internationaler Bemühungen und rechtlicher Maßnahmen bleibt das Problem weitverbreitet. Millionen Menschen, darunter Frauen und Kinder, werden weltweit in verschiedenen Formen der Zwangsarbeit und Ausbeutung gefangen gehalten. Die Opfer moderner Sklaverei leiden unter unmenschlichen Bedingungen und haben nur begrenzte Möglichkeiten, sich aus dieser Situation zu befreien.

Eine der Hauptursachen für moderne Sklaverei ist insbesondere die wirtschaftliche Ausbeutung von vulnerablen Bevölkerungsgruppen. Oftmals werden Menschen in Situationen der Armut, Arbeitslosigkeit oder mangelnder Bildung ausgenutzt, da sie aus Verzweiflung bereit sind, unter ausbeuterischen Bedingungen zu arbeiten. Dieser wirtschaftliche Druck und die Aussicht auf ein besseres Leben führen dazu, dass Menschen in gefährliche und unmenschliche Arbeitsverhältnisse geraten, die den Grundstein für moderne Formen der Sklaverei bilden.

Globalisierung und der Druck auf Unternehmen, Kosten zu senken und Gewinne zu maximieren, führen oft zu Arbeitsbedingungen, die moderne Sklaverei begünstigen. Durch komplexe Lieferketten geraten Arbeiter:innen häufig in prekäre Situationen ohne angemessene Rechte oder Bezahlung.

Ein wichtiger Aspekt, der zur modernen Sklaverei beiträgt, ist die unzureichende gesetzliche Regulierung und Durchsetzung von Arbeitsrechten in vielen Ländern. Oftmals fehlen klare Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmer:innen vor Ausbeutung und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Dadurch haben skrupellose Arbeitgeber:innen und Unternehmen die Möglichkeit, Arbeitnehmer:innen auszunutzen und sie in eine Art moderne Sklaverei zu zwingen. Dieses rechtliche Vakuum ermöglicht es ihnen, gegen grundlegende Menschenrechte zu verstoßen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der Mangel an effektiver gesetzlicher Regulierung schafft somit ein Umfeld, in dem moderne Sklaverei gedeihen kann.

Darüber hinaus spielen auch gesellschaftliche Strukturen eine Rolle bei der Aufrechterhaltung moderner Sklaverei. Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Ethnie oder sozialer Herkunft führt dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders gefährdet sind.

Es ist wichtig, diese komplexen Ursachen zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen, um moderne Sklaverei wirksam zu bekämpfen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene können wir eine Welt schaffen, in der Ausbeutung und Unterdrückung keinen Platz mehr haben.

Wo gibt es heutzutage noch Sklaverei?

Sklaverei existiert heutzutage noch in einigen Teilen der Welt, insbesondere in Ländern wie Nordkorea, Mauretanien und Eritrea. In diesen Regionen gibt es Berichte über moderne Formen der Sklaverei, einschließlich Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft und Menschenhandel. Oft sind die Betroffenen arm und schutzlos, was es den Tätern ermöglicht, sie auszubeuten und zu versklaven. Schätzungen von Walk Free zufolge lebten an jedem beliebigen Tag im Jahr 2021 rund 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei. Diese Anzahl übersteigt die Schätzungen der ILO und kann wie folgt erklärt werden: 28 Millionen Menschen waren in Zwangsarbeit tätig, während sich 22 Millionen in Zwangsehen befanden.

Der Global Slavery Index von Walk Free ist ein Bericht, der die Anzahl der modernen Sklaven in 160 Ländern weltweit beziffert. Er basiert auf einer Vielzahl von Datenquellen und dient dazu, das Bewusstsein für diese dringende Problematik zu schärfen. Ein zentraler Aspekt des Global Slavery Index ist die Methodik, nach der die Daten erhoben und analysiert werden. Die Daten basieren auf Tausenden von Interviews mit Überlebenden, die durch landesweit repräsentative Haushaltsumfragen in 75 Ländern gesammelt wurden, sowie auf Risikoanalysen der Länder. Das Endergebnis ist ein Indexwert, der einem geschätzten Wert für die Verbreitung von moderner Sklaverei pro 1000 Einwohner in dem betreffenden Land entspricht.

Laut dem Bericht von 2021 ist moderne Sklaverei am weitesten in Nordkorea verbreitet, gefolgt von Eritrea, Mauretanien, Saudi-Arabien, der Türkei, Tadschikistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland, Afghanistan und Kuwait. Die Daten beziehen sich auf je 1000 Einwohner. Nordkorea ist an der Spitze mit einem Wert von 104,6 und über 2 Millionen betroffenen Menschen.

Obwohl Zwangsarbeit hauptsächlich in Ländern mit geringem Einkommen anzutreffen ist, besteht eine enge Verbindung zur Nachfrage aus Ländern mit höherem Einkommen. Die komplexen und undurchsichtigen Lieferketten, die durch die Produktion und den Transport von Waren zwischen Ländern entstehen - angefangen bei der Beschaffung von Rohstoffen über die Herstellung, Verpackung und den Transport - sind häufig mit Zwangsarbeit verbunden. Ein erschreckendes Beispiel: Im Jahr 2021 importierten die G-20-Länder Waren im Wert von 468 Milliarden US-Dollar, die unter Bedingungen moderner Sklaverei hergestellt wurden. Durch diesen Konsum hält jede:r Deutsche indirekt 60 bis 70 Sklaven laut der Organisation International Justice Mission, die mit ihrer wichtigen Arbeit weltweit Menschen aus der Sklaverei befreit.

Kein Land der Welt ist von moderner Sklaverei befreit. Unabhängig von ihrer Größe, Bevölkerung oder wirtschaftlichen Situation breitet sich dieses hinterhältige Verbrechen über nationale Grenzen hinweg aus und durchdringt globale Lieferketten. Auch hier in Deutschland gibt es Fälle von Ausbeutung und Zwangsarbeit, die nicht immer offensichtlich sind. Deutschland steht mit einem Rang von 158 von 160 zwar gut da, aber dennoch sind laut Walk Free schätzungsweise etwa 47.000 Menschen hierzulande von moderner Sklaverei betroffen. Diese Zahl setzt sich überwiegend aus Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution zusammen. Die Dunkelziffer könnte sogar höher liegen, da Fälle von Ausbeutung und Zwangsarbeit oft im Verborgenen bleiben und nur schwer erkannt werden können.

Zwangsarbeit heute: Welche Arbeitsbereiche sind betroffen?

In der heutigen Zeit tritt moderne Sklaverei leider in vielfältigen Formen und Arbeitsbereichen auf. Gemäß Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation findet Zwangsarbeit in der Privatwirtschaft statt, was 17,3 Millionen Menschen betrifft, wobei die kommerzielle sexuelle Ausbeutung ausgenommen ist. Neben der Textilindustrie sind auch die Landwirtschaft, der Bergbau, das Bauwesen, Hausangestellte sowie die Lebensmittel- und Elektronikindustrie stark davon betroffen. In diesen Branchen werden Menschen oft unter ausbeuterischen Bedingungen zur Arbeit gezwungen, ohne angemessene Bezahlung oder Arbeitsrechte zu erhalten.

Oft handelt es sich dabei um versteckte Formen wie Zwangsprostitution, Zwangsarbeit auf Fischereischiffen oder im Haushalt, die weniger offensichtlich sind, aber dennoch eine extreme Ausbeutung und Misshandlung von Menschen darstellen. Diese weniger offensichtlichen Formen der Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen müssen ebenfalls in den Fokus gerückt werden, um ein Ende dieser menschenunwürdigen Praktiken zu erreichen.

EU-Zwangsarbeitsverordnung

Die EU-Zwangsarbeitsverordnung im Kampf gegen moderne Sklaverei

Wie zuvor bereits hervorgehoben, befinden sich laut ILO weltweit fast 28 Millionen Menschen in Zwangsarbeit. Die Waren, die sie herstellen, gelangen über globale Lieferketten auch auf den europäischen Markt.

In der Bekämpfung moderner Sklaverei spielt die EU-Zwangsarbeitsverordnung (Forced Labour Regulation, abgekürzt: FLR) eine entscheidende Rolle. Durch klare Vorschriften und Maßnahmen zielt sie darauf ab, Zwangsarbeit in der gesamten Lieferkette zu bekämpfen. Unternehmen sind verpflichtet, transparent über ihre Lieferunternehmen und deren Arbeitsbedingungen zu berichten, um Ausbeutung und Zwangsarbeit zu verhindern. Die Verordnung legt deutliche Standards und Strafen für Verstöße fest, um die Rechte und Würde der Arbeitnehmer:innen zu schützen. Sie betrifft sämtliche Produkte, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden und in der EU verkauft oder aus der EU exportiert werden (Onlinehandel eingeschlossen). Der Rechtsakt gilt zudem für sämtliche Wirtschaftszweige.

Durch eine konsequente Umsetzung und Überwachung kann die EU-Zwangsarbeitsverordnung dazu beitragen, Millionen von Opfern moderner Sklaverei weltweit zu schützen und eine Zukunft ohne Zwangsarbeit zu gestalten.

Bereits am 14. September 2022 wurde von der Kommission der Vorschlag gemacht, den Verkauf von Waren, die unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, auf dem europäischen Markt zu verbieten. Am 5. März 2024 erzielten die Vertreter des Europäischen Parlaments (EP) und des Rats der EU eine vorläufige Einigung in den Trilog-Verhandlungen über dieses Verbot. Schlussendlich stimmte das EU-Parlament am 23. März 2024 mit 555 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen und 45 Enthaltungen für die Verordnung.

Die folgenden Schritte umfassen die förmliche Billigung durch den Rat der Europäischen Union sowie die Veröffentlichung im Amtsblatt. Im Gegensatz zu Richtlinien müssen Verordnungen nicht in nationales Recht umgesetzt werden, sondern gelten unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten. Die Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Mit der Veröffentlichung ist noch in diesem Jahr zu rechnen. Nach dem derzeitigen Verordnungsentwurf gilt sie aber erst drei Jahre nach Inkrafttreten in den Mitgliedstaaten, also voraussichtlich erst ab Herbst 2027.

Wie wirkt die Zwangsarbeitsverordnung mit anderen Gesetzen zusammen?

Zwar werden durch die “Forced Labour Ban Regulation” keine neuen lieferkettenbezogenen Sorgfaltspflichten eingeführt, die EU-Zwangsarbeitsverordnung greift aber in vielen Fällen in Verbindung mit den bestehenden Sorgfaltspflichten (so zum Beispiel aus Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)). Diese Gesetze verpflichten Unternehmen dazu, entlang ihrer gesamten Lieferkette auf die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsstandards zu achten. Trotzdem fehlen in beiden Gesetzen konkrete Maßnahmen gegen Zwangsarbeit wie ein Importverbot oder weitergehende Regelungen. Die Zwangsarbeitsverordnung stellt daher eine erweiterte Sorgfaltspflicht dar, um sicherzustellen, dass Zwangsarbeit in den EU-Wertschöpfungsketten keinen Platz hat. Im Gegensatz zu dem LkSG und der CSDDD regelt diese das Thema mit Verboten und Untersagungen auf eine strengere Weise, was einen wichtigen Fortschritt darstellt.

Unternehmen, die gegen diese Gesetze verstoßen, riskieren nicht nur rechtliche Konsequenzen, sondern auch einen Reputationsschaden. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen sowohl die EU-Zwangsarbeitsverordnung als auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie die Corporate Sustainability Due Diligence Directive im Blick behalten und entsprechende Maßnahmen zur Einhaltung dieser Vorschriften ergreifen.

In der Praxis bedeutet dies, dass falls die bestehenden Sorgfaltspflichten (CSDDD und LkSG) nicht zu einem Ende von Zwangsarbeit in der Lieferkette führen, diese Produkte gemäß der EU-Zwangsarbeitsverordnung vom EU-Markt ausgeschlossen werden können. Dies hat zur Folge, dass Zwangsarbeit in der Lieferkette ausnahmslos ausgeschlossen werden soll. Eine wirkungsvolle Implementierung dieser Maßnahmen erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette sowie eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Sorgfaltspflichten.

Bewertung und Ausblick

Die FLR bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Einer der wesentlichen Vorteile liegt darin, dass sie dazu dient, Arbeitskräfte vor Ausbeutung und Zwangsarbeit zu schützen. Unternehmen sind nun gesetzlich verpflichtet, sicherzustellen, dass ihre Mitarbeiter:innen unter gerechten Bedingungen arbeiten. Dies fördert die Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Ein weiterer Nutzen besteht darin, dass die Verordnung Unternehmen dazu verpflichtet, transparenter bezüglich ihrer Arbeitspraktiken zu sein, was das Vertrauen der Verbraucher:innen stärken kann. Somit kann die Zwangsarbeitsverordnung dazu beitragen, das Bewusstsein der Öffentlichkeit für Arbeitsrechte und ethische Arbeitspraktiken zu schärfen. Die Konsumierenden werden sensibilisiert und haben die Möglichkeit, bewusst Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen auszuwählen, die sich aktiv für faire Arbeitsbedingungen engagieren. Dies führt nicht nur zu einem positiven Unternehmensimage, sondern kann langfristig auch zu einem gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf Arbeitsstandards beitragen.

An der EU-Verordnung wird aber kritisiert, dass sie keinem vollumfänglichen Menschenrechtsschutz entspricht und nicht ambitioniert genug ist. Zwar bedeutet die Verordnung ein Hoffnungsschimmer für Betroffene, jedoch wurden Wiedergutmachungsmaßnahmen nicht eingeführt. Dies wird vom Europäischen Netzwerk der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (englisch kurz ENNHRI) kritisiert, da das Fehlen von Wiedergutmachungsmaßnahmen dazu führen könnte, das Unternehmen lediglich problematische Kooperationen loswerden, ohne tatsächliche Verbesserungen für die Betroffenen zu erreichen. Wiedergutmachung stellt einen wichtigen Aspekt dar, um sicherzustellen, dass das Verbot von Produkten, die unter die EU-Zwangsarbeitsverordnung fallen, nicht nur zu oberflächlichen Veränderungen in den Lieferketten führt, sondern wirkliche Veränderung zum Tragen kommt. Eine angemessene Wiedergutmachung könnte darin bestehen, dass Betroffenen ihre Ausweisdokumente und ausstehenden Löhne zurückgegeben werden, sie aus Schuldknechtschaft befreit werden und ihre Arbeits- sowie Lebensbedingungen sich merklich verbessern.

Welche weiteren Gesetze gibt es gegen Zwangsarbeit?

Es gibt weitere Gesetze, die Zwangsarbeit bekämpfen und die wichtige Schutzmechanismen für Arbeitnehmer:innen bereitstellen. Diese Gesetze setzen Standards, um Zwangsarbeit in all ihren Formen wirksam zu bekämpfen und zu beseitigen. Diese internationalen Bestimmungen sind entscheidend, um eine weltweite Ächtung von Zwangsarbeit zu erreichen und die grundlegenden Menschenrechte zu wahren.

Folgend eine nicht abschließende Liste:

  • Freiwillige Selbstverpflichtungen aus den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen und den OECD-Leitlinien für Multinationale Unternehmen
  • UK Modern Slavery Act von 2015 verpflichtet Unternehmen ab einem Umsatz von mehr als 36 Millionen Pfund, eine jährliche Erklärung zu moderner Sklaverei zu veröffentlichen. Diese Erklärung soll darüber Auskunft geben, welche Maßnahmen das Unternehmen ergreift, um moderne Sklaverei und Menschenhandel in seiner Lieferkette zu verhindern. Zudem müssen Unternehmen transparent darlegen, wie sie sicherstellen, dass keine Form von Zwangsarbeit oder Kinderarbeit in ihren Produktionsprozessen vorkommt.
  • Das französische Devoir de Vigilance (Sorgfaltspflichtgesetz) von 2017 führte vorausschauende Maßnahmen für Unternehmen ein, um die Menschenrechte zu schützen. Mit der “Duty of Care” müssen Unternehmen mit mindestens 5.000 Angestellten in Frankreich und 10.000 weltweit Schritte ergreifen, um Verstöße gegen Menschenrechte zu verhindern und transparent zu kommunizieren.
  • Der Commonwealth Modern Slavery Act 2018 verlangt von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Australischen Dollar, im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs, Maßnahmen zur Verhinderung von moderner Sklaverei und Menschenhandel zu ergreifen. Dieser Gesetzesakt umfasst die Offenlegungspflicht der Unternehmensaktivitäten sowie die Einführung interner Kontrollmechanismen zur Identifizierung und Verhinderung von Verstößen gegen die Vorschriften.
  • Der amerikanische Uyghur Forced Labor Prevention Act zielt darauf ab, den Import von Produkten zu unterbinden, die durch Zwangsarbeit von Uiguren aus der Region Xinjiang in China hergestellt wurden. Unternehmen, die solche Produkte herstellen oder vertreiben, haben die Beweislast und sind verpflichtet nachzuweisen, dass ihre Produkte nicht durch Zwangsarbeit aus Xinjiang hergestellt wurden. Darüber hinaus sieht das Gesetz Strafen für Unternehmen vor, die gegen diese Vorschriften verstoßen. Es dient als wichtiger Schritt im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung in der Region.
  • Der Norwegische Transparency Act (2022 in Kraft getreten) fordert größere Unternehmen, Informationen über ihre Geschäftspraktiken offenzulegen, um sicherzustellen, dass sie ethisch und verantwortungsbewusst handeln. Um als größeres Unternehmen eingestuft zu werden, müssen sie zwei der drei folgenden Bedingungen erfüllen oder überschreiten: 50 Vollzeitarbeitskräfte (oder vergleichbare jährliche Arbeitsstunden), einen Jahresumsatz von mindestens 70 Millionen NOK und eine Bilanz von mindestens 35 Millionen NOK. Unternehmen sind dann verpflichtet, jährlich eine Erklärung zur Einhaltung der Menschenrechte zu veröffentlichen und auf Anfragen zur Offenlegung ihrer Bemühungen zu antworten. Die Öffentlichkeit hat das Recht, diese Informationen anzufordern, was ein besonderes Merkmal des norwegischen Gesetzes darstellt.
  • Der Kanadische Modern Slavery Act (Bill S-211) trat am 1. Januar 2024 in Kraft. Das Gesetz verpflichtet Unternehmen, Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsarbeit und Kinderarbeit in ihren Lieferketten zu ergreifen. Zuwiderhandlungen werden mit Bußgeldern geahndet. Eine transparente Berichterstattung über die Einhaltung der Vorschriften wird von den Unternehmen erwartet, um die Bekämpfung von Zwangsarbeit und Kinderarbeit effektiv zu unterstützen.

Die Rolle der Unternehmen bei der Bekämpfung von moderner Sklaverei

Unternehmen spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen moderne Sklaverei. Durch die Implementierung strenger Richtlinien und Kontrollmechanismen können sie sicherstellen, dass Zwangsarbeit in ihren Lieferketten keinen Platz findet. Transparenz und Sorgfaltspflicht sind unerlässlich, um Ausbeutung zu verhindern. Als wichtige Akteure in der Wirtschaftswelt haben Unternehmen die Verantwortung, menschenrechtliche Standards zu wahren und sich aktiv gegen Zwangsarbeit einzusetzen. Es ist an der Zeit, dass Unternehmen ihre soziale Verantwortung ernst nehmen und sich für die Rechte und Würde aller Menschen einsetzen.

Welche Pflichten treffen Unternehmen?

  • Die FLR gilt zwar voraussichtlich erst ab Mitte 2027, dennoch sollte bereits jetzt an einem produktbezogenen Risikomanagement gearbeitet werden. Es ist unerlässlich, dass das Unternehmen rechtzeitig die erforderlichen Compliance-Strukturen schafft, um die aus der Zwangsarbeitsverordnung resultierenden Verpflichtungen zu erfüllen. Andernfalls können nicht nur schwerwiegende Sanktionen, Rufschädigungen und Wettbewerbsnachteile drohen, sondern auch Importverbote.
  • Es könnte herausfordernd sein, wenn die Bestimmungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, der EU-Zwangsarbeitsverordnung und der CSDDD sich überschneiden. Es wäre daher wichtig, eine eingehende Analyse mit anderen einschlägigen Regelungen, wie beispielsweise zu Konfliktmineralien, durchzuführen.
  • Um sicherzustellen, dass die eigenen Produkte weiterhin verkauft werden können, ist es für Unternehmen unerlässlich, die Risiken von Zwangsarbeit in ihrer Lieferkette sorgfältig zu untersuchen und auszuschließen. Die Analyse dieser Risiken und die Umsetzung von Maßnahmen zur Risikominderung gewinnen dadurch eine zunehmend wichtige Rolle.
  • Ein umfassendes Monitoring und regelmäßige Audits sind entscheidend, um die Einhaltung dieser Verordnung zu gewährleisten und sicherzustellen, dass menschenrechtliche Standards eingehalten werden.
  • Auch wenn die EU-Kommission oder nationale Behörden für den Nachweis von Zwangsarbeit in der Lieferkette verantwortlich sind, werden Unternehmen in die Untersuchungen einbezogen. Sie haben die Möglichkeit, eigene Beweise für die Einhaltung des Verbots von Zwangsarbeit vorzulegen, zum Beispiel durch die Implementierung von Standards und Zertifikaten. Durch die Vorlage solcher Beweise können Sie nicht nur Ihre Glaubwürdigkeit stärken, sondern auch das Vertrauen Ihrer Stakeholder gewinnen.

Nur gemeinsam ist eine Zukunft ohne Zwangsarbeit möglich!

In einer Welt, in der Millionen Menschen immer noch Opfer von moderner Sklaverei werden, ist es wichtig, gemeinsam Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ausbeutung zu beenden. Wir müssen uns bewusst machen, dass moderne Sklaverei nicht nur weit entfernt in anderen Ländern existiert, sondern auch hier bei uns, in unserer unmittelbaren Umgebung.

Eine effektive Bekämpfung moderner Sklaverei erfordert eine globale Zusammenarbeit und koordinierte Maßnahmen. Internationale Organisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Prävention von Zwangsarbeit. Durch die Zusammenarbeit mit Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und anderen Stakeholdern auf der ganzen Welt können Programme und Initiativen zur Aufdeckung und Bekämpfung von Zwangsarbeit effektiver gestaltet werden. Der Austausch bewährter Praktiken, die Harmonisierung von Standards und die Stärkung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind entscheidend, um moderne Sklaverei auf internationaler Ebene zu bekämpfen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen und solidarische Aktionen können wir eine Zukunft schaffen, in der Zwangsarbeit kein Platz mehr hat.

Darüber hinaus tragen gesetzlichen Vorschriften wie die Forced Labour Regulation (FLR) dazu bei, einen Rahmen für ethische Geschäftspraktiken zu schaffen und das Bewusstsein der Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsstandards zu schärfen. Die Implementierung solcher Vorschriften fördert eine Kultur der sozialen Verantwortung und Transparenz, die letztendlich zu einer nachhaltigen und fairen Wirtschaftsentwicklung beiträgt.

Eine Zukunft ohne Zwangsarbeit ist möglich, wenn wir gemeinsam handeln und uns für die Wahrung der Menschenrechte einsetzen. Nur durch vereinte Anstrengungen können wir eine Welt schaffen, in der niemand mehr ausgebeutet wird.

Zentrale Normen der FLR im Überblick

Art. 3 VO legt das Verbot der Einfuhr, Bereitstellung auf dem Unionsmarkt und der Ausfuhr aus der EU von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten fest.

Art. 2 lit. a VO definiert Zwangsarbeit: „Zwangsarbeit“ definiert sich als Zwangs- oder Pflichtarbeit, einschließlich Kinderzwangsarbeit, im Sinne des Artikels 2 des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation von 1930 über Zwangs- oder Pflichtarbeit.

Art. 2 lit. c VO definiert die Sorgfaltspflicht wie folgt: „Sorgfaltspflichten in Bezug auf Zwangsarbeit“ sind die Bemühungen der Wirtschaftsakteure, verbindliche Anforderungen, freiwillige Leitlinien, Empfehlungen oder Praktiken umzusetzen, die dazu dienen, den Einsatz von Zwangsarbeit bei Produkten, die auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht, bereitgestellt oder ausgeführt werden sollen, zu ermitteln, zu verhindern, zu minimieren oder zu beenden.

Art. 2 lit. h VO adressiert alle Wirtschaftsakteure: „Wirtschaftsakteur“ ist jede natürliche oder juristische Person oder Personenvereinigung, die Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt oder bereitstellt oder Produkte aus der Union ausführt. Weiterführend werden in Art. 2 lit. i bis m der VO Wirtschaftsakteure näher definiert, somit fallen Hersteller, Erzeuger, Produktlieferanten, Einführer und Ausführer unter die Verordnung.

Art. 2 lit. f VO definiert das Produkt: "Produkt“ ist jedes Produkt, das einen Geldwert hat und als solches Gegenstand von Handelsgeschäften sein kann, unabhängig davon, ob es gewonnen, geerntet, erzeugt oder hergestellt wird, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer beliebigen Stufe seiner Lieferkette.

Art. 2 lit. g VO beschreibt näher, welche Produkte erfasst werden: "in Zwangsarbeit hergestelltes Produkt“ ist ein Produkt, bei dem auf einer beliebigen Stufe seiner Gewinnung, Ernte, Erzeugung oder Herstellung insgesamt oder teilweise Zwangsarbeit eingesetzt wurde, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer beliebigen Stufe seiner Lieferkette.

Art. 2 lit. h VO definiert die Lieferkette:  Die „Lieferkette“ das System der Tätigkeiten, Prozesse und Akteure, die in allen vorgelagerten Stufen der Bereitstellung des Produkts auf dem Markt involviert sind, d. h. Gewinnung, Ernte, Erzeugung und Herstellung eines Produkts oder von Teilen davon, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer dieser Stufen.

—> "Produkt“ ist somit ein vielseitiger Begriff, der jedes handelbare Gut mit einem Geldwert umfasst, unabhängig von seiner Herkunft oder Verarbeitungsstufe in der Lieferkette. Die Definition konzentriert sich auf die Vielfalt und den Handelsaspekt von Produkten entlang ihrer Lieferkette. Somit wird die Komplexität und Diversität des Begriffs hervorgehoben, was Unternehmen dazu ermutigt, ihre Lieferketten ganzheitlich zu betrachten und Transparenz darüber zu schaffen.

Art. 4 VO bezieht sich auf Fälle, in denen ein Produkt im Fernabsatz angeboten wird: Wird ein Produkt online oder über eine andere Form des Fernabsatzes zum Verkauf angeboten, gilt das Produkt als auf dem Markt bereitgestellt, wenn sich das Angebot an Endnutzer in der Union richtet. Ein Verkaufsangebot gilt als an Endnutzer in der Union gerichtet, wenn der betreffende Wirtschaftsakteur seine Tätigkeiten in irgendeiner Weise auf einen oder mehr als einen Mitgliedstaat ausrichtet.

Folglich sind auch Onlinehändler eindeutig von den Vorgaben der Verordnung betroffen.

Der Gegenstand der Verordnung sind Vorschriften, die es Wirtschaftsakteuren verbieten, Produkte, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen und bereitzustellen oder aus dem Unionsmarkt auszuführen, mit dem Ziel, das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern, und trägt zum Kampf gegen Zwangsarbeit bei, Art. 1 VO.

Gemäß Art. 1 Abs. 2 VO ist die Verordnung jedoch nicht anwendbar auf die Rücknahme von bereits in den Händen der Endverbraucher auf dem Unionsmarkt gelangten Produkten. Dies dient zum Schutz der Konsumenten.

Die Handlungen werden genauer in Art. 2 VO beschrieben:

→ Art. 2 lit. d VO: „Bereitstellung auf dem Markt“ bezeichnet jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit.

→ Art. 2 lit. e VO: „Inverkehrbringen“ ist die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt.

→ Art. 2 lit. s VO: „Produkte, die auf den Unionsmarkt gelangen“ sind Produkte aus Drittländern, die auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht oder der privaten Nutzung oder dem privaten Verbrauch innerhalb des Zollgebiets der Union zugeführt und in das Zollverfahren „Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr“ überführt werden sollen.

→ Art. 2 lit. t VO: „Produkte, die den Unionsmarkt verlassen“ sind Produkte, die in das Zollverfahren „Ausfuhr“ überführt werden sollen.

Die Unternehmen sollen durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden. Dazu zählen eine Datenbank (Art. 8 VO), ein Informationsportal (Art. 7 VO) und Leitlinien (Art. 11 VO), die auf einer zentralen Website bereitgestellt werden sollen (Art. 12 VO). Die Einführung der Datenbank und des Informationsportals zielen darauf ab, die Bewertung von Verstößen zu ermöglichen und das Risiko von Zwangsarbeit mithilfe verifizierbarer und aktualisierter Informationen zu überwachen. Diese Informationen könnten unter anderem Berichte der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) umfassen. Des Weiteren plant die Kommission, Leitlinien bereitzustellen, die als zusätzliche Orientierungshilfe für Wirtschaftsakteure und zuständige Behörden dienen sollen. Diese Leitlinien umfassen bewährte Verfahren zur Beendigung und Beseitigung von Zwangsarbeit.

Des Weiteren soll nach Art. 6 VO ein Unionsnetzwerk gegen in Zwangsarbeit hergestellte Produkte eingerichtet werden. Mit dem Ziel als Plattform für eine strukturierte Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und der Kommission zu dienen und eine Straffung der Durchsetzungsverfahren dieser Verordnung in der Union zu ermöglichen, um so die Wirksamkeit und Kohärenz der Durchsetzung zu verbessern, so Art. 6 Abs. 2 VO. Insofern soll das Netzwerk sich nach Abs. 3 aus Vertretern der einzelnen Mitgliedsstaaten, Vertretern der Kommission und gegebenenfalls Vertretern der Zollbehörden zusammensetzen. Der genaue Aufgabenbereich bestimmt sich nach Art. 6 Abs. 7 VO.

Die zuständigen Behörden werden in Art. 5 Abs. 1 VO benannt: Demnach benennen die Mitgliedstaaten eine oder mehrere zuständige Behörden, die für die Erfüllung der in dieser Verordnung dargelegten Pflichten zuständig sind. Die benannten zuständigen Mitgliedstaatsbehörden und die Kommission arbeiten eng zusammen und sind für die wirksame und einheitliche Anwendung dieser Verordnung in der gesamten Union verantwortlich.

Für die Aufteilung der Untersuchungen kommt es im Einzelfall darauf an, ob die mutmaßliche Zwangsarbeit außerhalb des Hoheitsgebiets stattfindet oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates, Art. 15 VO. So ist die Kommission federführende zuständige Behörde außerhalb des Hoheitsgebiets der Union (Abs. 1), während für mutmaßliche Zwangsarbeit im eigenen Hoheitsgebiet, die Mitgliedsstaaten zuständige Behörde sind (Abs. 2). Um eine einheitliche und effiziente Umsetzung dieser Verordnung zu ermöglichen, arbeiten die Kommission und die zuständigen Behörden eng zusammen und leisten einander gegenseitige Amtshilfe, Art. 16 Abs. 1 VO.

Bei der Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 VO durch die zuständigen Behörden und die Kommission soll ein risikobasierter Ansatz verfolgt werden, Art. 14 Abs. 1 VO.

Die Bewertung stützt sich dabei nach Art. 14 Abs. 2 lit. a bis c VO auf die folgenden Kriterien:

a)  das Ausmaß und die Schwere der mutmaßlichen Zwangsarbeit, einschließlich der Frage, ob von staatlichen Behörden auferlegte Zwangsarbeit ein Grund zur Sorge sein könnte;

b)   die Menge der Produkte, die auf dem Unionsmarkt in Verkehr gebracht oder auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden:

c)   der Anteil des Teils, bei dem der Verdacht besteht, dass er in Zwangsarbeit hergestellt wurde, am Endprodukt.

Bei der Bewertung sind alle einschlägigen, sachlichen und überprüfbaren Informationen, die den zuständigen Behörden und der Kommission zur Verfügung stehen, nach Art. 14 Abs. 3 VO heranzuziehen. Solche Information können beispielsweise aus der Datenbank nach Art. 8 VO (lit. b) oder dem Informationsportal gemäß Art. 7 VO (lit. a) stammen, aber auch aus Konsultationen mit Interessenträgern, wie Organisationen der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften (lit. f).

Zunächst benötigt es einen Verdacht. Bei einem Verdacht auf einen Verstoß gegen die Zwangsarbeitsverordnung ist es entscheidend, dass die Behörden eine gründliche Untersuchung durchführen, um die Wahrscheinlichkeit des Verstoßes festzustellen. Diese Prüfung der Wahrscheinlichkeit wird Voruntersuchung genannt. Sollte sich der Verdacht bestätigen, folgt eine detaillierte Hauptuntersuchung. Die relevanten Normen für die Ermittlungen sind die Art. 17 bis 20 VO.

  • Art. 17 VO

Art. 17 Abs. 1 VO setzt voraus, dass die federführenden zuständigen Behörden, bevor sie eine Untersuchung nach Art. 18 Abs. 1 VO (Hauptuntersuchung) einleiten, eine Voruntersuchung durchführen müssen. Das heißt: Sie fordern von den zu bewertenden Wirtschaftsakteuren und gegebenenfalls von anderen Produktlieferanten Informationen über deren einschlägigen Maßnahmen an, die ergriffen wurden, um das Zwangsarbeitsrisiko in ihren Geschäftstätigkeiten und Lieferketten in Bezug auf die zu bewertenden Produkte zu ermitteln, zu verhindern, zu minimieren, zu beenden oder entsprechende Abhilfe zu schaffen.

Nach Abs. 2 müssen die Wirtschaftsakteure innerhalb von 30 Arbeitstagen ab dem Tag, an dem sie die Aufforderung erhalten haben, reagieren. Für die weiterführende Voruntersuchung hat die federführende zuständige Behörde daran anschließend 30 Arbeitstage Zeit, um ihre Risikountersuchung am Maßstab nach Art. 14 VO durchzuführen und zu beenden (Abs. 3). Sollte die Behörde zu dem Schluss kommen, dass kein begründeter Verdacht auf einen Verstoß gegen Artikel 3 besteht, oder dass die Gründe, die zu einem begründeten Verdacht geführt haben, beseitigt wurden, leitet die Behörde keine Untersuchung gem. Artikel 18 VO ein, so Abs. 5.

  • Artikel 18

Wird jedoch nach Art. 17 Abs. 4 VO festgestellt, dass ein begründeter Verdacht auf einen Verstoß gegen Art. 3 VO vorliegt, leitet die zuständige Behörde eine (Haupt)Untersuchung in Bezug auf die betreffenden Produkte und Wirtschaftsakteure ein und unterrichtet die von der Untersuchung betroffenen Wirtschaftsakteure innerhalb von drei Arbeitstagen nach dem Datum der Entscheidung über die Einleitung einer solchen Untersuchung, Art. 18 Abs. 1 VO.

Daraufhin müssen die betroffenen Wirtschaftsakteure auf Ersuchen der federführenden zuständigen Behörde alle Informationen, die für die Untersuchung relevant und erforderlich sind, einschließlich Informationen zur Identifizierung der zu untersuchenden Produkte und gegebenenfalls des Teils des Produktes, auf den sich die Untersuchung beschränken sollte, sowie zur Identifizierung des Herstellers, des Erzeugers oder des Lieferanten dieser Produkte oder von Teilen davon, übermitteln (Abs. 3).

Die Behörde hat dabei primär auf die von der Untersuchung betroffenen Wirtschaftsakteure an den Stellen der Lieferkette, die dem Verdacht am nächsten liegen und berücksichtigt so weit wie möglich die Größe und die wirtschaftlichen Ressourcen der Wirtschaftsakteure (Abs. 3). Das heißt insbesondere die Frage, ob es sich bei dem jeweiligen Wirtschaftsakteur um ein KMU handelt, die Menge der betreffenden Produkte, die Komplexität der Lieferkette sowie das Ausmaß der mutmaßlichen Zwangsarbeit (Abs. 3).

Nach Abs. 4 wird für die Übermittlung eine Frist von mindestens 30 und höchstens 60 Arbeitstagen festgelegt. Die Wirtschaftsteilnehmer können jedoch mit einer entsprechenden Begründung eine Verlängerung dieser Frist beantragen.

  • Artikel 19

Gemäß Artt. 18 Abs. 6, 19 Abs. 1 VO sind auch Überprüfungen vor Ort möglich. Jedoch gibt es nach Art. 19 Abs. 3 VO eine Besonderheit in Bezug auf Risiken außerhalb des Hoheitsgebiets der Union, so kann die Kommission alle erforderlichen Kontrollen und Überprüfungen durchführen, sofern die betreffenden Wirtschaftsakteure ihre Zustimmung erteilen und die Regierung des Drittlandes, offiziell unterrichtet wurde und keine Einwände erhebt. Gegebenenfalls kann der Europäische Auswärtige Dienst um Unterstützung ersucht werden.

  • Artikel 20

Die Entscheidung der Behörde über das Verfahren erfolgt im Rahmen des Art. 20 VO. Hierbei gilt nach Abs. 2 hervorzuheben, dass die Behörden einen Verstoß gegen Art. 3 VO auch auf der Grundlage anderer verfügbarer Informationen feststellen können, wenn es nicht möglich war, Informationen und Nachweise von den Wirtschaftsakteuren nach Art. 17 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 3 einzuholen. Das betrifft folgende Fälle nach Abs. 2 lit. a bis e:

a)  die Vorlage der angeforderten Informationen ohne eine hinreichende Begründung verweigert oder

b)  die angeforderten Informationen nicht innerhalb der gesetzten Frist vorlegt, ohne dies hinreichend zu begründen, oder

c)  unvollständige oder unrichtige Angaben macht, um die Untersuchung zu blockieren, oder

d)  irreführende Angaben macht oder

e)  die Untersuchung in anderer Weise behindert, auch in Fällen, in denen während der Voruntersuchung oder der Untersuchung das Risiko einer von staatlichen Behörden auferlegten Zwangsarbeit festgestellt wird.

→ Gemäß Abs. 3 wird eine Untersuchung eingestellt, wenn kein Verstoß festgestellt werden kann. Es ist allerdings zu beachten, dass die Einstellung nicht ausschließt, dass eine neue Untersuchung in Bezug auf dasselbe Produkt und denselben Wirtschaftsakteur eingeleitet wird, falls neue relevante Informationen vorliegen.

→ Bestätigt sich der Verdacht, so wird eine Entscheidung nach Abs. 4 erlassen, die Folgendes beinhaltet:

a)  ein Verbot des Inverkehrbringens oder der Bereitstellung der betreffenden Produkte auf dem Unionsmarkt sowie ein Verbot ihrer Ausfuhr;

b)  eine Anordnung an die von der Untersuchung betroffenen Wirtschaftsakteure, die betreffenden bereits in Verkehr gebrachten oder auf dem Markt bereitgestellten Produkte vom Unionsmarkt zu nehmen oder Inhalte von einer Online-Schnittstelle zu entfernen, die sich auf die betreffenden Produkte oder deren Listung beziehen;

c)  eine Anordnung an die von der Untersuchung betroffenen Wirtschaftsakteure, die betreffenden Produkte gemäß Art. 25 aus dem Verkehr zu ziehen oder, falls die Bestandteile eines Produkts, bei denen ein Verstoß gegen Artikel 3 festgestellt wird, ausgetauscht werden können, eine Anordnung, die betreffenden Bestandteile des Produkts aus dem Verkehr zu ziehen.

Ausnahmen hiervon sind möglich, wenn dies zur Vermeidung von Störungen einer Lieferkette von strategischer oder kritischer Bedeutung für die Union nötig ist, so Abs. 5.

Recht des Wirtschaftsakteurs auf Anhörung, Art. 16 Abs. 2 VO

Die federführenden zuständigen Behörden haben nach dieser Norm in allen Phasen des Verfahrens das Recht des Wirtschaftsakteurs auf Anhörung zu gewährleisten.

Unterstützung von Kontaktstelle, Artt. 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 VO

Soweit dies erforderlich ist, haben Wirtschaftsakteure die Möglichkeit, bei einer Kontaktstelle gemäß Art. 10 um Unterstützung im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit der federführenden zuständigen Behörde in der Voruntersuchung sowie der Hauptuntersuchung zu ersuchen.

Überprüfung der Entscheidung, Art. 21 VO

Wirtschaftsakteure, zulasten, derer sich der Verdacht auf Zwangsarbeit bestätigt hat, haben nach Art. 21 die Möglichkeit, die Überprüfung der Entscheidung nach Art. 20 zu beantragen. Es gilt zu beachten, dass der Wirtschaftsakteur wesentliche neue Informationen bereitstellen muss. Nach Abs. 2 soll diese Entscheidung innerhalb von 30 Arbeitstagen nach Eingang des Überprüfungsantrags ergehen. Neben dieser Möglichkeit auf Überprüfung, können nach Abs. 5 auch Gerichte angerufen werden, um die verfahrensrechtliche und materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen.

Näheres zur Durchsetzung bestimmen die Art. 23 ff. VO.

Die Entscheidung muss nach Art. 22 Abs. 1 lit. b VO eine angemessene, 30 Arbeitstage nicht unterschreitende Fristen beinhalten, innerhalb derer die Wirtschaftsakteure den Anordnungen nachkommen müssen. Wird ein Wirtschaftsakteur nicht innerhalb dieser Frist tätig, so sind die zuständigen Behörden für die Durchsetzung der Entscheidung zuständig, Art. 23 Abs. 1 VO. Die Behörde hat nach Abs. 2 das Recht, entweder direkt, in Zusammenarbeit mit anderen Behörden oder durch Antrag bei den zuständigen Justizbehörden Sanktionen gegen den Wirtschaftsakteur gemäß Art. 37 VO zu erlassen.

Weiterführend obliegt der zuständigen Behörde in Abstimmung mit allen anderen zuständigen Behörden die Durchsetzung der Rücknahme nach Art. 24 Abs. 2 VO sowie gemäß Art. 20 Abs. 4 lit. c das Aus-dem-Verkehr-Ziehen von Produkten nach Art. 25 VO. Aus-dem-Verkehr-Ziehen bedeutet in diesem Fall recyceln oder, wenn dies nicht möglich ist, die Produkte unbrauchbar machen. Verderbliche Produkte werden aus dem Verkehr gezogen, indem sie zu gemeinnützigen oder im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken gespendet werden oder, wenn dies nicht möglich ist, indem sie unbrauchbar gemacht werden.

Gemäß Art. 37 VO legen die Mitgliedstaaten Sanktionen fest. Diese müssen nach Art. 37 Abs. 2 wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Dabei sind die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:

a)   Schwere und Dauer des Verstoßes;

b)   einschlägige frühere Verstöße des Wirtschaftsakteurs;

c)   der Umfang der Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden;

d)   jegliche anderen mildernden oder erschwerenden Umstände im jeweiligen Fall, wie etwa unmittelbar oder mittelbar durch den Verstoß erlangte finanzielle Vorteile oder vermiedene Verluste.

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