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Sonderfälle bei Materialien: Bambus und Kartonagen unter der EUDR – Was gilt?

EUDR - Lesezeit: 7 Min

EUDR Sonderfälle Bambus und Kartonagen

Mit Inkrafttreten der Europäischen Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, EUDR) steht die Wirtschaft vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen: Unternehmen, die bestimmte Rohstoffe importieren, in Verkehr bringen oder exportieren, müssen strenge Sorgfaltspflichten erfüllen, um nachzuweisen, dass ihre Produkte nicht mit Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung stehen. Während bei klassischen Holzprodukten oder bestimmten Agrarrohstoffen wie Kaffee und Soja die Vorgaben vergleichsweise eindeutig sind, sorgt die konkrete Anwendung der Vorschriften in einigen Materialspezialfällen für Unsicherheit. Insbesondere beim Thema Bambus und Kartonagen beziehungsweise Papierverpackung tauchen vermehrt praktische Fragen auf: Wie sind nicht explizit genannte Materialien einzuordnen? Welche Produkte sind tatsächlich von der EUDR betroffen – und wo gelten Ausnahmen? Der folgende Beitrag bietet eine fundierte, praxisnahe Orientierung zu den Sonderfällen Bambus und Kartonagen unter der EUDR. Er führt in die Rechtsgrundlagen ein, erklärt die botanische und zollrechtliche Einordnung, beleuchtet die juristische Grauzone um Papierverpackungen und zeigt konkrete Handlungsempfehlungen für Unternehmen auf. Damit richtet sich der Artikel an Fach- und Führungskräfte aus Compliance, Einkauf, Produktmanagement und Lieferkettenmanagement, die für die Umsetzung der EUDR-Anforderungen verantwortlich sind – und in ihrem Tagesgeschäft bei Materialien wie Bambus oder Karton auf klare, belastbare Einordnungen angewiesen sind.

Wichtige Fakten

Die EUDR ist eine Verordnung, die Unternehmen verpflichtet, strenge Sorgfaltspflichten zu erfüllen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte nicht zur Entwaldung beitragen.

Nein, Bambus ist ein verholztes Gras und kein Baum. Er fällt daher nicht unter die EUDR-Holzvorschriften.

Materialmischungen aus Bambus mit Holz fallen unter die Verordnung.

Papierverpackungen sind von der EUDR ausgenommen, wenn sie nur als Verpackung dienen oder aus 100 % recycelten Materialien bestehen.

Werden sie als eigenständige Produkte gehandelt, können sie betroffen sein.

Unternehmen sollten die genaue zolltarifliche Einordnung ihrer Materialien überprüfen. Eine vollständige Dokumentation der Prüfungen ist unerlässlich.

Eine präzise Einordnung von Materialien kann Compliance-Aufwand reduzieren und Haftungsrisiken minimieren.

Executive Summary

Mit der Einführung der Europäischen Entwaldungsverordnung (EU Deforestation Regulation, EUDR) müssen Unternehmen strenge Sorgfaltspflichten befolgen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte nicht zur Entwaldung beitragen. Während die Regelungen für klassische Holzprodukte klar sind, werfen Materialien wie Bambus und Kartonagen Fragen auf, die geklärt werden müssen.

Fallbeispiel Bambus

Bambus wird oft fälschlicherweise als Baum klassifiziert, ist jedoch ein verholztes Gras. Diese botanische Einordnung hat bedeutende regulatorische Konsequenzen, da Bambus derzeit nicht unter die EUDR-Holzvorschriften fällt. Unternehmen, die mit Bambus arbeiten, können sich somit von bestimmten gesetzlichen Verpflichtungen befreien. Bei der zolltariflichen Kategorisierung wird Bambus durch spezifische Codes erfasst, was bedeutet, dass die üblichen Holzklassifizierungen nicht anwendbar sind und Unternehmen die korrekten Zollcodes nutzen müssen. Während der Import und Handel von Bambusprodukten gemäß dieser Klassifizierung keine EUDR-Vorgaben erfordern, könnte dies bei Mischmaterialien mit hölzernen Komponenten anders sein; hier sind genauere Materialprüfungen erforderlich.

Fallbeispiel Kartonagen

Papierverpackungen, einschließlich Kartonagen, sind unter bestimmten Umständen von den EUDR-Vorschriften ausgenommen. Dies gilt insbesondere, wenn sie ausschließlich als Verpackungen eingesetzt oder aus vollständig recycelten Materialien hergestellt werden. Wenn Kartonagen jedoch als eigenständige Produkte gehandelt werden, unterliegen sie möglicherweise den Bestimmungen der EUDR. Unternehmen müssen daher ihre Produktklassifizierungen und Verwendungszwecke genau betrachten, um sicherzustellen, dass sie nicht unerwartet unter die EUDR fallen.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Unternehmen sollten die spezifische Zolltarifierung ihrer Materialien feststellen und nicht auf allgemeine Materialnamen vertrauen. Eine präzise Tarifierung hilft, rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden und die korrekten Zolltarife anzuwenden. Eine gründliche Dokumentation aller Prüfungen und Entscheide im Kontext der EUDR ist unerlässlich. Diese Nachweise sind wichtig, um Compliance im Bedarfsfall nachweisen zu können. Eine transparente und kontinuierliche Abstimmung mit sowohl Lieferanten als auch der internen Zollabteilung ist von größter Bedeutung. Diese Kommunikation gewährleistet ein effektives Management der EUDR-Compliance.

EUDR und die Liste der betroffenen Rohstoffe – der Rahmen

Die zentralen Rohstoffe der EUDR

Die Europäische Entwaldungsverordnung zielt auf eine Reduzierung des Risikos ab, dass in der EU bereitgestellte Produkte mit globaler Entwaldung oder Waldschädigung in Verbindung gebracht werden können. Der Anwendungsbereich der Verordnung ist dabei anhand einer Liste von Rohstoffen und deren Derivaten definiert, die im Anhang I der EUDR explizit aufgeführt werden. Zu den Hauptrohstoffen gehören unter anderem Soja, Rindfleisch, Palmöl, Kaffee, Kakao, Gummi und vor allem Holz. Holz und seine Derivate nehmen dabei eine herausragende Bedeutung ein, da sie in zahlreichen Produkten und Produktionsprozessen eine fundamentale Rolle spielen.

Die EUDR listet hierzu eine Vielzahl konkreter HS-Codes (Harmonisiertes System, bzw. KN-Positionen für den Zolltarif) auf, anhand derer Unternehmen prüfen können, ob Ihre Ware melde- oder dokumentationspflichtig ist. So sind beispielsweise unter den Holzprodukten neben Rohholz und Bauholz auch Zellstoffe, Papier und Papierwaren mit bestimmten Zollcodes explizit benannt. Die klare Nennung dieser Codes verschafft Sicherheit – doch was ist mit Produkten, die in der Praxis nicht eindeutig unter diese Kategorien subsumiert werden können?

Wie mit nicht explizit genannten Materialien umgehen?

Tatsächliche Unsicherheiten entstehen für Unternehmen immer wieder dann, wenn verwendete Materialien zwar holzähnliche Eigenschaften aufweisen oder in ihrer Funktion anderen Rohstoffen ähneln, aber explizit nicht im Anhang der EUDR genannt werden – oder wenn deren botanische oder chemische Herkunft nicht eindeutig ist. Besonders relevant ist dies bei Ersatzmaterialien wie Bambus oder bei Verbundstoffen, aber auch bei klassischen Sekundärprodukten wie Kartonagen. Die Frage, ob solche Stoffe unter die EUDR fallen, entscheidet darüber, ob Sorgfaltspflichten samt Nachweisführung, Sorgfaltserklärung und Lieferkettenprüfung zu erfüllen sind. Vor diesem Hintergrund analysiert dieser Beitrag speziell die Fälle Bambus und Karton/Papierverpackung – zwei Materialgruppen, die aus unterschiedlichen Gründen regelmäßig Prüfbedarf in der Unternehmenspraxis auslösen.

Fallbeispiel 1: Bambus – fällt es unter die EUDR?

Fallbeispiel Bambus

Botanische Einordnung: Bambus ist kein Baum

Um die EUDR-rechtliche Bewertung von Bambus zu ermöglichen, ist zunächst eine botanische Klarstellung notwendig. Botanisch betrachtet gehört Bambus zur Familie der Süßgräser (Poaceae). Es handelt sich nicht um einen Baum, sondern um ein verholztes Gras, das in tropischen und subtropischen Regionen oft beeindruckende Größen erreicht und als Rohstoff in vielen Industriezweigen eine wachsende Bedeutung hat. Seine ökologische Eigenschaft, schnell zu wachsen und vergleichsweise wenig Fläche zu beanspruchen, macht Bambus aus Nachhaltigkeitsperspektive und in Bioökonomie-Kreisläufen besonders attraktiv. Entsprechend wird Bambus insbesondere als Ersatz für Holz in Bereichen wie Möbelbau, Bauwesen, Verpackungen und Konsumgütern nachgefragt.

Zolltariflich betrachtet: Wird Bambus wie Holz behandelt?

Für die zollrechtliche Bewertung ist zu prüfen, unter welcher HS-Position Bambus und daraus hergestellte Produkte klassifiziert werden. Tatsächlich differenziert der EU-Zolltarif zwischen „Holz“ (Kapitel 44) und anderen verholzten Pflanzen. Bambus ist zumeist nicht Teil der Holz-Chapter, sondern läuft unter eigenständigen Codes, zum Beispiel „Bambus“ unter HS-Position 1401 10. Bambusprodukte können jedoch – je nach Verarbeitung und Produktart – auch in Papier-Kapiteln oder als Fertigwaren unter spezifischen Positionen auftauchen.

Obwohl Bambus aufgrund seiner Holzähnlichkeit im Sprachgebrauch gelegentlich als „Holz“ bezeichnet wird, erkennt das Zollrecht maßgeblich die botanische Differenzierung an. Dementsprechend ist Bambus keine klassische Holzware im engsten Sinne des Zolltarifs. Diese tarifliche Abgrenzung ist hinsichtlich der EUDR besonders relevant, da die meisten Pflichten explizit an zollrechtlich definierte Holz-Kategorien geknüpft sind.

Konsequenz für die EUDR

Nach Angaben der FAO wird Bambus als anderes forstwirtschaftliches Produkt betrachtet und fällt daher nicht unter den Rohstoff Holz. Die Kernaussage für Unternehmen lautet daher: Nach aktueller Auslegung der EUDR fällt Bambus als botanisch und zollrechtlich eigenständige Rohstoffgruppe grundsätzlich nicht unter die explizit genannten, EUDR-pflichtigen Holzrohstoffe oder -derivate. Das gilt sowohl für Bambusrohmaterial als auch für Produkte aus Bambus (zum Beispiel Schneidebretter, Möbelstücke, Bambusparkett oder Einweggeschirr aus Bambus). Unternehmen, die Bambus-Produkte importieren, verarbeiten oder vertreiben, sind nach derzeitiger Lesart nicht dazu verpflichtet, die EUDR-Sorgfaltspflichten für Holzerzeugnisse (wie Nachweisführung zur Entwaldungsfreiheit) zu erfüllen.

Allerdings gibt es in der Praxis Graubereiche: Laut Artikel 1 Absatz 1 der EUDR gelten "relevante Erzeugnisse" nur für solche, die relevante Rohstoffe enthalten oder mit diesen hergestellt wurden; dazu zählt Holz. Falls ein Produkt also einen Materialmix aus Bambus und klassischem Holz enthält, ist die jeweilige zolltarifliche Einordnung entscheidend. Maßgeblich ist immer die KN-Position, unter der das Endprodukt deklariert wird. Sollte z.B. ein Bambus-Kompositmaterial einen relevanten Anteil an Holz enthalten und unter einen holzbezogenen HS-Code fallen, kann die EUDR-Pflicht wieder aufleben. Unternehmen müssen daher im Fall von Materialmischungen oder weiterverarbeiteten Waren jeweils individuell prüfen, nach welchen KN-Positionen deklariert wird und wie der zugrunde liegende Stoffanteil nachzuweisen ist.

Auch abweichende zukünftige Auslegungen durch nationale Behörden oder die Europäische Kommission sind möglich. Unternehmen, die in großem Umfang mit Bambus handeln, sollten daher laufend relevante Rechtsentwicklungen und eventuelle Anpassungen in den technischen Durchführungsverordnungen der EUDR im Blick behalten.

Fallbeispiel 2: Kartonagen, HS Code 48191000 – berichtspflichtig oder nicht?

Fallbeispiel Kartonagen

HS-Code 48191000 – was ist darunter zu verstehen?

Kartonagen und Papierverpackungen – im Alltag ebenso allgegenwärtig wie in globalen Lieferketten unverzichtbar – werden im Zollsystem differenziert kategorisiert. Unter der Position HS-Code 48191000 werden „Schachteln und Kartons, aus Wellpapier oder Wellpappe“ geführt, die primär als Verpackungsmaterial für unterschiedlichste Produkte dienen. Die Position ist relevant für Importeure und Produzenten, die Papierverpackungen jeglicher Art zur Verpackung, Lagerung und Transport ihrer Waren nutzen. Gerade im Hinblick auf die EUDR stellt sich die Frage, ob Papierverpackungen auf Basis von Holz(derivaten) meldepflichtig sind – oder ob sie eine Ausnahme darstellen und aus dem Anwendungsbereich der EUDR ausgenommen bleiben.

EUDR-Logik: Papierprodukte und Holzrohstoffe

Die EUDR umfasst mit ihren Vorgaben nicht nur reines Holz oder Holzwerkstoffe, sondern explizit auch eine Reihe von Papierprodukten. Dies betrifft insbesondere Produkte des Kapitels 48 im Zolltarif (Papier und Pappe sowie Waren daraus). Die Erfassung erfolgt dabei auf Basis klar benannter HS-Codes. So sind unter anderem bestimmte Zellstoffe (KN-Positionen 4701-4706), Papier- und Pappwaren (z.B. KN 4802, 4804, 4806) sowie bedruckte Erzeugnisse oder Halbwaren aus Holz(derivaten) dokumentationspflichtig.

Dabei nimmt die EUDR in Anhang I unter Holz, HS-Code 4415, eine entscheidende Abgrenzung vor: Nicht betroffen ist Verpackungsmaterial, das ausschließlich als Verpackungsmaterial zum Stützen, zum Schutz oder zum Tragen eines anderen in Verkehr gebrachten Erzeugnisses verwendet wird. D.h. „Verpackungen, die zum Schutz von anderen, nicht aus Holz hergestellten Waren verwendet werden“, sind vom Anwendungsbereich der EUDR ausgenommen. Diese Ausnahme basiert auf dem Ziel der Verordnung, vorrangig den Schutz vor deforestation-relevanten Rohstoffflüssen zu erreichen, während Verpackungsmaterial in Lieferketten nicht im Mittelpunkt steht. Unverpackte Papierwaren oder Papierprodukte als solche fallen hingegen regelmäßig unter die EUDR, sofern sie zu den in Anhang I gelisteten Produktgruppen gehören.

Zu beachten gilt auch: Die Verordnung gilt nicht für Waren, die ausschließlich aus Material erzeugt sind, dessen Lebenszyklus abgeschlossen ist, und das anderenfalls als Abfall im Sinne des Artikels 3 Nummer 1 der Richtlinie 2008/98/EG entsorgt worden wäre. In anderen Worten unterliegen 100 % recycelte Materialen (bspw. 100 % recycelte Kartonagen) keinen Verpflichtungen gemäß der Verordnung. Allerdings können die Verpflichtungen wieder auferleben, wenn das Erzeugnis nicht recyceltes Material enthält.

Ausnahmefälle: Wann Verpackungen relevant sein können

Unternehmen sollten jedoch keineswegs davon ausgehen, dass sämtliche Kartonagen und EUDR Papierverpackungen grundsätzlich ausgenommen bleiben. In der Praxis existieren mehrere Ausnahmen: Wird eine Papierverpackung nicht als bloßes Transportmedium, sondern selbst als Produkt gehandelt oder weiterverkauft, unterliegt sie gegebenenfalls doch der Nachweispflicht. So kann beispielsweise der Import von leeren Faltschachteln unter HS-Code 48191000 als eigenständiges Produkt – unabhängig von der darin befindlichen, nicht-holzhaltigen Ware – eine EUDR-Prüfung notwendig machen.

Ein weiteres Praxisbeispiel verdeutlicht die Komplexität: Ein Unternehmen importiert technische Geräte, die in Papier- oder Kartonschachteln verpackt sind. Für den Import der Geräte selbst gilt keine EUDR-Pflicht, doch beim separaten Import von Verpackungen als Handelswaren (zum Beispiel im B2B-Handel mit Papierverpackungen für die Lebensmittelindustrie) greift die Ausnahme nicht mehr. Teils kommt es auch auf die Art der Papierrohstoffe an: Wurde die Schachtel beispielsweise aus gemischten Zellstoffen mit recyceltem Anteil gefertigt, können je nach nationaler Durchführungspraxis und Ursprungsländern spezifische Dokumentationspflichten aus dem EUDR-Regime entstehen.

Ein weiterer Sonderfall besteht bei Produkten, bei denen die Verpackung einen Mehrwert als Teil des Gesamtprodukts darstellt – etwa bei hochwertigen Geschenkverpackungen oder Designer-Kartons, die selbst als Waren verkauft werden. Auch hier kann die EUDR relevanz entfalten.

Insgesamt bedeutet dies für Unternehmen, die mit „EUDR Karton“ oder „EUDR Papierverpackung“ in Berührung kommen, einen erhöhten Compliance-Aufwand: Sie müssen für jede Zollposition differenziert prüfen, ob das Erzeugnis wirklich nur als Verpackung im Sinne der EUDR verwendet wird oder selbst einen Warencharakter aufweist.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Handlungsempfehlungen

Tarifierung prüfen – nicht auf Materialnamen verlassen

Eine der häufigsten Fehlerquellen in der Praxis ist die vorschnelle Zuordnung von Rohstoffen oder Produkten auf Basis ihres geläufigen Namens. So werden etwa Bambusprodukte oft pauschal als Holzprodukte behandelt, obwohl sie zolltariflich und botanisch differenziert betrachtet werden müssen. Unternehmen sollten daher in jedem Fall die exakte Zolltarifierung ihrer Ware prüfen. Maßgeblich ist stets die KN-Position, nicht die umgangssprachliche Bezeichnung. Vor allem bei Materialmischungen, Verbundstoffen oder Sonderlösungen wie imprägnierten Kartonagen empfiehlt sich eine qualifizierte Prüfung – idealerweise in enger Abstimmung mit erfahrenen Zoll- oder Handelsrechtsexperten sowie unter Hinzuziehung der offiziellen Nomenklatur oder verbindlicher Zolltarifauskünfte.

Dokumentation der Prüfung für spätere Nachweise

Die Anforderungen der EUDR gehen über die bloße Kenntnis der Warentarifierung hinaus. Im Haftungsfall muss das Unternehmen nachweisen können, dass es die zutreffende Einordnung und Prüfung mit ausreichender Sorgfalt vorgenommen hat. Daher ist die lückenlose, schriftliche Dokumentation jeder materialspezifischen Prüfung essenziell. Ob es sich um eine gezielte Bestandsaufnahme der verwendeten HS-Codes handelt, eine Stellungnahme eines Steuerberaters oder eine behördliche Zollauskunft: Nur saubere, dokumentierte Nachweise sichern Unternehmen im Konfliktfall gegen Prüfbehörden ab. Gerade bei „kritischen“ Materialien wie Bambus (wegen der Nähe zu klassischem Holz) oder Papierverpackungen (wegen der Ausnahmeregelung) sollte jede Prüfung nachvollziehbar festgehalten werden.

Kommunikation mit Lieferanten und Zollabteilung

Der Erfolg eines effektiven EUDR-Compliance-Managements steht und fällt mit der transparenten Abstimmung entlang der Lieferkette. Unternehmen sollten ihre Lieferanten gezielt nach der Herkunft und Zusammensetzung von Materialien befragen und sich – insbesondere bei Handelsunternehmen – die exakte zolltarifliche Position und Kontrolldokumente vorlegen lassen. Die unternehmensinterne Abstimmung mit der Zollabteilung oder externen Dienstleistern minimiert zudem das Risiko von Fehleintragungen bei der Importanmeldung. Besonders bei komplexen Materialien oder spontanen Marktinnovationen (zum Beispiel Bambus-Bioverbunde, neue Papierqualitäten oder nachhaltige Mehrwegverpackungen) muss ein interdisziplinärer Abgleich sichergestellt werden.

Ein Praxisfall verdeutlicht die Bedeutung der Zusammenarbeit: Ein Unternehmen plante die Einführung von Mehrweg-Lebensmittelboxen aus Bambus. Die Zollabteilung identifizierte die HS-Position jedoch nicht als Holz, sondern als Ware aus verholztem Gras, was dazu führte, dass keine EUDR-Pflichten bestanden. Ohne diese Abstimmung hätte man fälschlicherweise zusätzliche Nachweise eingefordert – mit bürokratischem Mehraufwand und veralteten Compliance-Prozessen.

Fazit und Ausblick

Der Umgang mit Sondermaterialien wie Bambus oder Kartonagen im Zusammenhang mit der EUDR erfordert ein präzises Verständnis sowohl der botanischen als auch der zollrechtlichen Grundlagen. Wie gezeigt, fällt Bambus nach derzeitigem Stand grundsätzlich nicht unter die EUDR-Holzpflichten, während Papierverpackungen zwar als Verpackungen ausgenommen sein können, aber im Einzelfall als eigenständige Waren EUDR-relevant werden. Eine vorschnelle, undifferenzierte Behandlung aller „holzähnlichen“ Materialien als EUDR-pflichtig widerspricht dem Ziel der Verordnung und erhöht unnötig den Compliance- und Ressourcenaufwand im Unternehmen.

Maßgeblich für den EUDR-Pflichtumfang ist die Zolltarifnummer (KN-Position), unter der das jeweilige Erzeugnis deklariert wird. Unternehmen sollten daher frühzeitig (etwa bei der Produktentwicklung oder der Einkaufsplanung) eine gründliche Prüfung auf Basis der aktuellen Kombinierten Nomenklatur und des Anhangs I der EUDR durchführen. So können sie sowohl unnötigen Mehraufwand als auch Haftungsrisiken vermeiden und ihre unternehmensinterne Dokumentation und Lieferantenkommunikation gezielt aufbauen.

Für Unternehmen, die regelmäßig mit Grenz- oder Spezialfällen konfrontiert sind, empfiehlt es sich, vertiefende Beiträge etwa zu folgenden Fragestellungen hinzuzuziehen: Wie ist mit Papierverbundstoffen oder innovativen Bio-Kunststoffen umzugehen? Welche Rolle spielen Zertifizierungen (z.B. FSC, PEFC) oder Behördenauskünfte in der gerichtsfesten Nachweisführung? Solche Themen werden zunehmend wichtiger, da gerade nachhaltige, innovative Materialien häufiger Ziel regulatorischer Anpassungen und neuer Interpretationen.

FAQ

Nach aktuellem Stand fällt Bambus – botanisch ein verholztes Gras und keine Holzpflanze – grundsätzlich nicht unter die EUDR-Holzpflichten. Relevant wird Bambus nur dann, wenn ein Produkt als Materialmischung unter eine EUDR-pflichtige KN-Position fällt oder eine Anpassung der Verordnung dies in Zukunft anders regelt.

Papierverpackungen und Kartonagen, die ausschließlich als Verpackungen von Nicht-Holzwaren dienen, sind laut EUDR ausgenommen. Werden Kartons jedoch selbst als Handelsware importiert oder verkauft (z.B. leere Faltschachteln unter HS-Code 48191000), kann die EUDR-Pflicht greifen. Eine genaue Prüfung des Einzelfalls ist notwendig.

Entscheidend ist die zollrechtliche Einordnung: Maßgeblich ist die KN-Position, die das jeweilige Produkt bei Einfuhr oder Inverkehrbringen erhält. Nur wenn diese in Anhang I der EUDR genannt ist und kein Ausnahmetatbestand greift, entsteht eine Nachweispflicht.

Neue Auslegungen oder Anpassungen der Durchführungsverordnung sowie einzelne Präzisierungen durch Zollbehörden oder Gerichtsurteile sind möglich. Unternehmen sollten daher legislative Entwicklungen kontinuierlich beobachten und ihre Prozesse regelmäßig anpassen.

Empfohlen werden vollständige Unterlagen zur Zolltarifierung, Korrespondenzen mit Lieferanten, etwaige Auskünfte von Zollstellen sowie dokumentierte Risikobewertungen und Sorgfaltserklärungen. Bei Unsicherheiten oder Sonderfallen wie Bambus oder Papierverpackungen sollte jede Prüfung aktenkundig gemacht werden, um bei Kontrollen bestmöglich vorbereitet zu sein.

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