Inhaltsverzeichnis
arrow_back Zurück

Natur- oder synthetischer Kautschuk? Was die EUDR fordert und wie Sie die richtige Klassifizierung sicherstellen

EUDR - Lesezeit: 7 Min

EUDR Naturkautschuk synthetischer Kautschuk

Mit dem Inkrafttreten der EU-Verordnung zur Entwaldungsfreien Lieferkette (EUDR – European Union Deforestation Regulation) stehen Unternehmen entlang globaler Zulieferketten vor weitreichenden Pflichten. Damit rückt auch die korrekte EUDR Klassifizierung von Kautschukprodukten in den Fokus: Unternehmen müssen feststellen, ob ihre Produkte unter die Vorgaben der Verordnung fallen. Besonders betroffen sind Akteure, die mit Gummi, Elastomeren oder Kautschukprodukten handeln, produzieren oder verarbeiten. Die genaue Einordnung entscheidet über Dokumentationspflichten und Risiken. Die Unterscheidung zwischen Naturkautschuk (z. B. aus Hevea-Bäumen gewonnener Rohgummi) und synthetischem Kautschuk (petrochemisch erzeugte Polymere) rückt damit in den Fokus: Wer ab dem 30. Dezember 2025 Naturkautschuk oder daraus gefertigte Waren auf dem europäischen Markt in Verkehr bringt oder importiert, muss strenge Nachweispflichten zur Herkunft und Nachhaltigkeit erfüllen. Im folgenden Artikel finden Sie eine praxisorientierte Anleitung, wie Sie die Unterscheidung zwischen Natur- und synthetischem Kautschuk transparent gestalten, Ihre Produkte rechtssicher klassifizieren und dabei Compliance-Risiken im internationalen Warenverkehr minimieren.

Die wichtigsten Fakten

Die EUDR verpflichtet Unternehmen, bei der Einfuhr oder dem Inverkehrbringen von Naturkautschuk und daraus hergestellten Produkten nachzuweisen, dass diese entwaldungsfrei sind.

Betroffen sind alle Produkte, die unter den HS-Code 4001 fallen, also solche, die Naturkautschuk enthalten – zum Beispiel Rohkautschuk, Latex oder Erzeugnisse mit hohem Naturkautschukanteil. Produkte aus rein synthetischem Kautschuk (HS-Code 4002) sind hingegen nicht von der Verordnung erfasst.

Die Unterscheidung erfolgt anhand des Ursprungs und der chemischen Zusammensetzung. Naturkautschuk stammt aus pflanzlichen Quellen, synthetischer Kautschuk wird petrochemisch hergestellt. Ausschlaggebend ist, welcher Bestandteil dem Produkt seinen Hauptcharakter verleiht und welcher HS-Code im Zolltarif zutrifft.

Nein, die EUDR kennt keine festen Schwellenwerte. Auch geringe Mengen Naturkautschuk können relevant sein, wenn sie den wesentlichen Charakter des Produkts bestimmen.

Zur richtigen Einstufung sollten Unternehmen den elektronischen Zolltarif (TARIC), das deutsche EZT-Online-System sowie interne Produktdaten wie technische Datenblätter und Lieferantenauskünfte nutzen.

Die Zolltarifnummer bestimmt, ob ein Produkt unter die EUDR fällt. Nur Produkte mit dem HS-Code 4001 unterliegen den Pflichten der Verordnung. Eine falsche Einreihung kann rechtliche Konsequenzen wie Bußgelder oder Verzögerungen bei der Zollabwicklung nach sich ziehen.

Besonders betroffen sind Unternehmen aus der Reifenindustrie, der Medizintechnik, dem Maschinenbau, der Bauwirtschaft und der Elektronikbranche – überall dort, wo Naturkautschuk als Rohstoff oder Bestandteil zum Einsatz kommt.

Unternehmen sollten ihr gesamtes Produktportfolio auf Kautschukbestandteile prüfen, die Materialzusammensetzung analysieren, die zutreffenden HS-Codes ermitteln und klare Prozesse zur Nachweisführung einführen.

Executive Summary

Mit der Aufnahme von Naturkautschuk in die EU-Verordnung zur entwaldungsfreien Lieferkette (EUDR) sind Unternehmen entlang der gesamten Kautschuk-Wertschöpfungskette verpflichtet, umfangreiche Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Die entscheidende Voraussetzung für die Einhaltung dieser Vorgaben ist die korrekte EUDR-Klassifizierung von Produkten nach dem Zolltarif: Nur Erzeugnisse auf Basis von Naturkautschuk (HS-Code 4001) unterliegen der EUDR – synthetischer Kautschuk (HS-Code 4002) ist nicht betroffen. Für Unternehmen bedeutet das: Bereits geringe Mengen Naturkautschuk können meldepflichtig sein, wenn sie den Charakter des Produkts bestimmen. Deshalb ist eine sorgfältige Prüfung der Materialzusammensetzung und eine genaue Einreihung in den Zolltarif unerlässlich. Mischprodukte stellen eine besondere Herausforderung dar – hier ist zu klären, welcher Inhaltsstoff überwiegt.

Betroffen sind nicht nur Rohstoffimporteure, sondern auch Hersteller und Händler von Halb- und Fertigprodukten, insbesondere in der Reifen-, Medizin- oder Bauindustrie. Unternehmen sollten geeignete Tools wie TARIC oder EZT-Online einsetzen, interne Prozesse zur Tarifierung und Nachweisführung etablieren und frühzeitig mit Zollbehörden oder spezialisierten Beratern zusammenarbeiten. Die korrekte Klassifizierung bildet die Grundlage für eine rechtssichere Umsetzung der EUDR. Sie hilft, Compliance-Risiken zu vermeiden, Lieferketten transparent zu gestalten und den Zugang zum EU-Markt langfristig zu sichern.

Sie möchten mehr zum Thema erfahren?

Abonnieren Sie jetzt unseren Newsletter und erhalten Sie regelmäßig Einblicke und Updates zu den neuesten Entwicklungen in den Bereichen LkSG, CSDDD, CSRD, ESRS, Compliance, ESG, EUDR und Whistleblowing.

Neue Rohstofferfassung: Naturkautschuk unter der EUDR-Verordnung

Hintergrund: Erweiterung der EUDR-Rohstoffliste

Die EUDR ist Teil des Green Deal der Europäischen Union und markiert einen Paradigmenwechsel für Unternehmen entlang globaler Lieferketten. Ihre Kernanforderung: Nur noch entwaldungsfreie Produkte und deren Folgeprodukte dürfen künftig in die EU eingeführt bzw. innerhalb der Union auf den Markt gebracht werden. So soll Waldschädigung und Entwaldung eingedämmt werden. Nach der ursprünglichen Aufnahme von Rohstoffen wie Palmöl, Soja, Holz, Kaffee, Kakao und Rinderderivaten in die Liste regulierter Prozesse, wurde Anfang 2023 ein weiterer entscheidender Schritt gesetzt: Naturkautschuk wurde offiziell als siebter Rohstoff in den Anhang I der EUDR aufgenommen. Mit dieser Erweiterung reagiert die EU auf Studien verschiedener Umweltorganisationen, die belegen, dass der weltweite Anbau von Hevea-Bäumen für die Kautschukproduktion maßgeblich zur Entwaldung in Südostasien und Teilen Afrikas beiträgt.

Laut aktueller FAO-Statistiken (2020) wurden weltweit über 14 Millionen Hektar Fläche für die Produktion von Naturkautschuk genutzt, mit Auswirkungen auf Biodiversität, lokale Communities und das Weltklima. Die Entscheidung zur Aufnahme des Naturkautschuks in die EUDR ist daher ein strategisch bedeutender Schritt in Richtung nachhaltigerer und transparenterer Lieferketten.

Warum gerade Naturkautschuk relevant ist

Naturkautschuk spielt eine wichtige Rolle in globalen Lieferketten. Über 70 % der weltweiten Produktion werden für die Herstellung von Fahrzeugreifen verwendet. Aber auch viele andere Branchen – wie die Medizin-, Bau- oder Elektronikindustrie – nutzen Gummi aus Hevea-Latex für ihre Produkte. Während Produkte mit synthetischem Kautschuk oft petrochemisch hergestellt werden und derzeit nicht unter die EUDR fallen, ist Naturkautschuk wegen seines pflanzlichen Ursprungs und potenziellen Entwaldungseffekten besonders im Fokus der Gesetzgebung und fällt deshalb unter die EUDR-Klassifizierung. Die große Menge an globalem Handel und Verarbeitung, die mit diesem Rohstoff einhergeht, bedeutet, dass selbst kleine Verarbeitungsunternehmen oder Importeure künftig Compliance-Aufwand betreiben müssen.

EUDR Kautschuk

Bedeutung für Unternehmen entlang der Lieferkette

Wer betroffen ist – von Rohstoffimporteuren bis zu Verarbeitern

Die EUDR gilt für alle Unternehmen, die Naturkautschuk oder daraus gefertigte Produkte erstmals auf dem EU-Binnenmarkt in Verkehr bringen oder importieren. Dies betrifft nicht nur multinationale Reifenhersteller, sondern reicht bis zu spezialisierten Betrieben, die etwa Medizintechnik, Schuhsohlen oder Förderbänder fertigen. Auch Importeure von Halbfertigwaren, Zulieferer der Automobilindustrie oder Distributoren von Konsumgütern sind betroffen. Relevant sind sowohl der tatsächliche Eintritt in den EU-Markt wie auch jegliche Umwandlung, Vermischung oder Zollabfertigung der Ware. Praxisrelevant ist, dass viele Produkte Mischungen aus Natur- und synthetischem Kautschuk beinhalten. Unternehmen müssen für jede einzelne Warenposition prüfen, welchen Ursprung der enthaltene Kautschuk hat und wie hoch dessen Anteil ist. Das bedeutet einen erheblichen Aufwand bei der Produktdokumentation, Sorgfaltserklärung, Geolokalisierung, Rückverfolgbarkeit der Lieferkette und im Austausch mit Zulieferern aus Drittstaaten.

Relevanz der korrekten Klassifizierung für Compliance und Zoll

Die Einordnung, ob ein Produkt als Naturkautschuk, als Mischung oder als synthetischer Kautschuk einzuordnen ist, hat weitreichende rechtliche Folgen. Im Rahmen der Zollabfertigung sind die korrekten HS-Codes (Harmonisiertes System zur Zolltarifierung) zwingend zu verwenden. Ausschließlich Waren die aus Naturkautschuk bestehen (und damit sämtliche unter HS-Code 4001 geführten Produkte), unterliegen künftig den EUDR-Vorgaben. Falsche oder ungenaue Deklarationen können nicht nur zu Verzögerungen bei der Einfuhr und der Zollabwicklung führen, sondern im Extremfall auch zu Bußgeldern, Beschlagnahmungen oder Imageschäden infolge von Verstößen gegen die EUDR. Nicht zu unterschätzen ist zudem, dass Zoll- und Complianceabteilungen eng zusammenarbeiten müssen, um im Rahmen der EUDR eine lückenlose Nachweisführung sicherzustellen. Gerade die erstmalige Implementierung verlangt klare Prozesse und Entscheidungsleitlinien für die Klassifizierung.

Naturkautschuk vs. synthetischer Kautschuk – die Basics

Herkunft und Herstellung im Vergleich

Naturkautschuk wird zu über 90 % aus dem Milchsaft (Latex) des Hevea brasiliensis-Baums gewonnen. Die Hauptanbaugebiete liegen in Südostasien, insbesondere Länder wie Thailand, Indonesien und Vietnam dominieren mit etwa 70 % der Weltproduktion. Nach dem Anritzen der Rinde wird der Latex gesammelt, durch Gerinnung konzentriert und anschließend zu sogenannten Rohkautschukblöcken oder -platten verarbeitet. Die Förderung dieses Kautschuks ist eine klassische landwirtschaftliche Primärproduktion, grob vergleichbar mit Kaffee oder Kakao.

Synthetischer Kautschuk hingegen ist ein industriell erzeugtes Polymerprodukt. Als Ausgangsstoffe dienen unterschiedliche petrochemische Monomere wie Styrol, Butadien, Isopren oder Acrylnitril, die in Raffinerien – vorwiegend in Europa, Nordamerika und China – polymerisiert werden. Bekannte Typen sind beispielsweise Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Butylkautschuk oder Ethylen-Propylen-Kautschuk (EPDM). Anders als beim Naturkautschuk ist die Herstellung hier nicht an Agrarflächen, sondern an industrielle Wertschöpfung und chemische Verfahren gebunden.

Definitionen im zollrechtlichen Kontext

Zollrechtlich muss zwischen Natur- und synthetischem Kautschuk strikt abgegrenzt werden. Gemäß EU-Zolltarif und einschlägigen EU-Verordnungen gilt Folgendes: Naturkautschuk ist Kautschuk (Rohgummi), der durch Koagulation des Hevea-Latex oder verwandter Pflanzenmilch entsteht – unabhängig davon, ob er in fester oder flüssiger Form vorliegt. Synthetischer Kautschuk umfasst dagegen alle künstlich polymerisierten Elastomere, deren Hauptbestandteile national und international explizit in die Zolltarifnummer 4002 subsumiert sind.

Entscheidend für die Einordnung und die EUDR-Klassifizierung ist das Herstellungsverfahren ebenso wie die chemische Zusammensetzung. Mischprodukte, wie sie beispielsweise in modernen Autoreifen Verwendung finden, sind nach dem Hauptbestandteil zu klassifizieren – sofern dieser den Charakter der Ware bestimmt. Die entsprechende rechtliche Grundlage bilden die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV der KN) der Europäischen Union.

Relevante HS-Codes laut Zolltarif

Für die Einreihung in den Zolltarif und die EUDR Kautschuk-Klassifizierung sind zwei HS-Codes zentral:

  • HS-Code 4001: dieser umfasst ausschließlich Naturkautschuk, Balata, Gutta-Percha, Guayule, Chicle und ähnliche natürliche Kautschuke, sowohl in rohem als auch in vorverarbeitetem Zustand. Hierzu zählen auch gefrorener, geräucherter oder getrockneter Kautschuk.
  • HS-Code 4002: darunter fällt synthetischer Kautschuk, einschließlich der „chemisch modifizierten“ Produkte. Dies betrifft sämtliche petrochemisch erzeugten Gummisorten.

Im Rahmen der EUDR-Prüfung und im internationalen Warenverkehr ist die Einhaltung dieser HS-Codes besonders kritisch: Nur Waren unter 4001 sind für die EUDR relevant, während unter 4002 deklarierte Positionen ausgenommen bleiben. Dies hat Konsequenzen sowohl für die Zollanmeldung als auch die nachfolgende Compliance-Prüfung. Unternehmen sollten bestehende Warendatenbanken, Artikelstammdaten und Lieferantenerklärungen auf Richtigkeit und Aktualität zur Zolltarifierung prüfen.

Vergleich Naturkautschuk synthetischer Kautschuk

Welche Kautschukarten sind von der EUDR betroffen?

Naturkautschuk im Anwendungsbereich der EUDR

Naturkautschuk ist explizit im Anhang I der Verordnung gelistet und damit Gegenstand der Anforderungen. Als Folge müssen für alle unter HS-Code 4001 sowie für daraus gefertigte relevante Erzeugnisse mit Kautschuk als Hauptbestandteil umfassende Sorgfaltspflichten erfüllt werden. Dazu zählt die Bereitstellung lückenloser Daten zu Lieferkette, Anbaugebiet und Erntejahr, satellitengestützter Nachweise zur Entwaldungsfreiheit sowie Informationen zu Produzenten und Zwischenhändlern. Konkret heißt das: Wer Naturkautschuk importiert – zum Beispiel als Rohmaterial oder Latexmilch – muss alle nötigen Unterlagen zur EUDR-Compliance bereits vor dem Import bereithalten und sie auf Anfrage den Behörden, meist dem Zoll, vorlegen. Auch "Downstream“-Unternehmen – etwa Reifenhersteller oder Textilunternehmen – können betroffen sein, wenn deren Wareneinsätze oder Vorprodukte einen relevanten Gehalt an Naturkautschuk aufweisen.

Synthetischer Kautschuk bleibt außen vor – warum?

Im Gegensatz zum pflanzlichen Naturkautschuk ist synthetischer Kautschuk („synthetic rubber“) rein petrochemischen Ursprungs. Die EUDR stuft diese Erzeugnisse als "nicht entwaldungsrelevant" ein, da bei deren Herstellung kein landwirtschaftlicher Flächenbedarf und keine Rodung oder Bewirtschaftung von Waldflächen notwendig ist. Deshalb gibt es für Import und Inverkehrbringen von synthetischem Kautschuk – unabhängig davon, ob als Rohstoff, Halbzeug oder Fertigware – derzeit keine besonderen EUDR-Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit oder zum Nachweis der Nachhaltigkeit. Dieses regulatorische Schlupfloch sorgt in der Praxis zwar mitunter für Wettbewerbsverschiebungen, entspricht aber der Zielsetzung der EUDR: die Verringerung der importierten Entwaldung auf EU-Ebene. Mischprodukte mit einem überwiegenden Anteil an Kunstkautschuk (und entsprechendem HS-Code) gelten aktuell als nicht meldepflichtig.

Typische Praxisbeispiele zur Einordnung

In der Praxis gibt es viele Herausforderungen. Bei einfachen Produkten wie Haushaltshandschuhen lässt sich die Einstufung meist direkt über den Materialcode vornehmen: Bestehen die Handschuhe zu 100 % aus Naturlatex, fallen sie unter die EUDR. Bestehen sie hingegen aus synthetischem Nitrilkautschuk, sind sie nicht betroffen. Ein weiteres Beispiel sind Autoreifen, die in der Regel Materialmischungen aus Natur- und synthetischem Kautschuk enthalten. Hier muss präzise festgestellt werden, welcher Bestandteil den Charakter des Endprodukts prägt. Unternehmen sind verpflichtet, mittels Materialanalysen, Lieferantenauskunft und technischer Spezifikationen zu dokumentieren, welcher Kautschuk (und in welchem Mengenverhältnis) verarbeitet wurde. Förderbänder in der Industrie bestehen häufiger aus Mischungen, wobei auch die Tragschicht entscheidend sein kann. Mischprodukte mit eindeutig synthetischem Übergewicht werden trotz natürlicher Komponenten meist unter 4002 geführt und sind nicht EUDR-relevant. Komplex wird es bei Artikeln mit Mehrschichtenaufbau oder geringem Naturkautschukgehalt – hier zählt oft die stoffliche Charakterisierung sowie die gängige Klassifizierungslogik nach Zollvorschrift und EUDR.

So prüfen Unternehmen die EUDR-Relevanz von Kautschuk in Produkten

Klassifizierung anhand des Zolltarifs und der Kombinierten Nomenklatur

Die präzise Wareneinreihung nach Zolltarif und Kombinierter Nomenklatur (KN) ist der erste und wichtigste Schritt zur Sicherstellung der EUDR-Konformität. Unternehmen müssen für jedes Produkt prüfen, ob dessen Hauptbestandteil als Natur- oder synthetischer Kautschuk zu qualifizieren ist. Hierzu dienen die Allgemeinen Vorschriften für die Einreihung in den Zolltarif (AV 1 bis AV 6) sowie die Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS).

Die Ermittlungen zur Beschaffenheit, Ursprung und chemischer Zusammensetzung der Produkte sollten auf Basis verfügbarer Produktdokumentation und Werkstoffdatenblätter durchgeführt werden. Das Ergebnis der Warentarifierung bestimmt nicht nur den zutreffenden HS-Code, sondern auch, ob nach EUDR eine Rückverfolgbarkeit und Sorgfaltspflichten bestehen. Unternehmen können digitale Tools wie TARIC (das elektronische Zollsystem der EU) und das deutsche Portal „EZT-Online“ nutzen, um die richtige Klassifizierung des Produktes zu prüfen und fehlende Informationen zu ergänzen.

Wann Produkte als EUDR-relevant gelten

Entscheidend für die EUDR-Relevanz ist, ob ein Erzeugnis oder seine Komponenten als Naturkautschuk im Sinne des HS-Code 4001 gelten. Dabei kommt es nicht allein auf die mengenmäßige Zusammensetzung an, sondern auch darauf, welcher Bestandteil der Ware technisch und wirtschaftlich den Charakter verleiht. Produkte mit dominierendem Naturlatex-Anteil, beispielsweise medizinische Schläuche oder Reifen mit hohem Naturkautschukgehalt, sind meldepflichtig. Dagegen fallen solche mit hauptsächlich synthetischen Anteilen oder chemisch modifizierten Kautschuken nicht unter die Verordnung.

Unternehmen sollten auch darauf achten, dass EUDR-Schwellenwerte oder Bagatellgrenzen nicht automatisch gelten: Schon geringe Mengen Naturkautschuk im Endprodukt können dazu führen, dass dieses unter die EUDR fällt, solange der Inhalt den Hauptcharakter der Ware bestimmt. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Einholung einer verbindlichen Zollauskunft oder die Rücksprache mit spezialisierten Zollberatern.

Praktische Schritte zur Überprüfung der Klassifizierung

In der Praxis ist die Kooperation zwischen Zollabteilung, Einkauf und Compliance unerlässlich, vor allem auch in kleineren und mittleren Unternehmen. Beginnen Sie mit einer Bestandsaufnahme aller Produkte und Warengruppen, die Kautschuk enthalten oder verdächtig sind, natürlichen Ursprung zu haben. Analysieren Sie die Zusammensetzung des Produktes möglichst genau anhand der Materiallisten, Informationen zu Zulieferern sowie technischer Datenblätter. Bei Mischprodukten ist zu dokumentieren, wie der charakteristische Bestandteil zustande kommt.

Anschließend sollten Sie die ermittelten Daten mit dem einschlägigen Zolltarif abgleichen – idealerweise digital unterstützt über TARIC oder branchenspezifische Softwaretools. Kommt es zu Zweifel, sollte proaktiv eine Zollauskunft oder ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden. Im laufenden Betrieb ist es ratsam, sämtliche Compliance-relevanten Dokumente (z. B. Lieferantenerklärungen, Herkunftsnachweise) zentral zu erfassen und bei jeder Einfuhr dem Zoll unkompliziert zur Verfügung stellen zu können. Darüber hinaus empfiehlt es sich, Standardprozesse zur regelmäßigen Überprüfung der Warentarifierung einzuführen – etwa mittels monatlicher Audits oder Stichproben mit kritischen Produktgruppen. Nur so gelingt es, auch bei Produktänderungen, Neuentwicklungen oder sich wandelnder Lieferantenstruktur stets EUDR-konform zu bleiben.

Fazit und Handlungsempfehlungen

Für Unternehmen entlang der Gummi- und Kautschuk-Lieferkette markiert die EUDR eine Zeitenwende: Die Aufnahme des Naturkautschuks in die Rohstoffliste bringt neue, umfassende Informations- und Nachweispflichten bei der Umsetzung der EUDR mit sich. Die korrekte Klassifizierung zwischen Natur- und synthetischem Kautschuk ist dabei der Schlüsselfaktor für einen rechtssicheren Warenverkehr und entscheidet maßgeblich über die Erfüllung der Compliance- und zollrechtlichen Verpflichtungen.

Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Leitlinien: Beginnen Sie mit einer systematischen Analyse Ihres Produktportfolios, identifizieren Sie alle Kautschuk-haltigen Waren und gleichen Sie diese mit den relevanten HS-Codes ab. Achten Sie insbesondere bei Mischprodukten darauf, welcher Kautschuk den Hauptcharakter der Ware prägt. Nutzen Sie elektronische Tools für die Tarifierung und implementieren Sie klare Prozesse für die Beschaffung, Dokumentation und Anwendung der Nachweise. Holen Sie im Zweifelsfall frühzeitig Auskünfte bei Zollbehörden oder spezialisierten Dienstleistern ein. Die Zusammenarbeit mit Lieferanten und internen Fachabteilungen ist essenziell, um eine lückenlose Rückverfolgbarkeit und Risikobewertung zu gewährleisten.

Die frühzeitige Einbindung von Einkauf, Produktion und Compliance kann spätere Beanstandungen, Lieferprobleme und finanzielle Schäden verhindern. In einer Zeit, in der Transparenz immer wichtiger wird und die Zahl der Vorschriften steigt, ist die korrekte Einstufung von Naturkautschuk entscheidend. Sie ist die Grundlage für nachhaltiges und regelkonformes Wirtschaften auf den EU-Märkten.

FAQ

Der wichtigste Schritt ist die exakte Analyse der Materialzusammensetzung und die Prüfung, welcher Bestandteil dem Produkt seinen wesentlichen Charakter verleiht. Ergänzend nutzen Sie den elektronischen Zolltarif (TARIC) sowie EZT-Online, um sicherzustellen, dass der richtige HS-Code verwendet wird. Dokumentieren Sie außerdem sämtliche Lieferantenauskünfte und Produktionsdetails.

Werden Produkte – z. B. Reifen oder Fertigwaren – unter falschem HS-Code deklariert, kann dies zur Ablehnung an der Grenze, Strafzahlungen, Nachverzollungen oder Imageschäden führen. Besonders schwer wiegt ein Verstoß gegen EUDR-Pflichten, da hier empfindliche Bußgelder und der Ausschluss vom EU-Markt drohen können.

In den meisten Fällen reicht eine nachvollziehbare Materialdokumentation über Lieferantenauskünfte, technische Datenblätter oder Werksangaben aus. Für besonders komplexe oder neue Produkte kann jedoch eine Laboranalyse notwendig sein, um den charakterbestimmenden Inhaltsanteil an Kautschuk zu verifizieren.

Praktische Lösungen für die Durchführung der EUDR-Klassifizierung bieten der elektronische Zolltarif (TARIC) der EU, das deutsche Tool EZT-Online sowie spezielle Compliance-Management-Systeme für Supply Chain Traceability wie etwa unser EUDR-Modul.

Die EUDR kennt aktuell keine festen Schwellenwerte. Ausschlaggebend ist, ob das Produkt gemäß Zolltarif und Warenbeschreibung als Naturkautschuk-Erzeugnis (HS-Code 4001) zu klassifizieren ist. Geringe Mengen sind dann relevant, wenn sie den Charakter der Ware prägen.

arrow_left_alt Vorheriger Beitrag